Frühgeschichte der Badener Kirchenmusik
Im Jahre 1415 ist erstmals ein Badener Schulmeister erwähnt, der gemeinsam
mit dem Mesner für die Kirchenmusik bei einem Totengedenken zuständig war.
Er bekam dafür 12 Pfennige, der Mesner 8.1
Im Jahre 1467 gab es, wie in allen späteren Jahrhunderten, einen Schulmeister und
einen Succentor, für die verschiedene Vorschriften bestanden:
- Bei gesungenen Nachtgottesdiensten sollte der Priester eine Kerze bekommen, weil
er die Lesungen zu lesen hatte, der Schulmeister und der Succentor bekamen miteinander
drei Kerzen, weil sie die Psalmen zu singen hatten.
- Der Schulmeister war zugleich Schreiber der St. Stephans Zeche (einer Laienorganisation,
die sich um die Ausstattung der Kirche bemühte) und erhielt dafür 99 Pfennige.
- Für das Psalmensingen in der Karwoche erhielt der Schulmeister jährlich 3
Schillinge (= 90 Pfennige) und "ein gutes Frühstück".
- Bei Prozessionen über die Felder wie z.B. am Markustag, am Tag des hl. Pankraz
und an anderen Bitttagen erhielt der Schulmeister, genau so wie der Pfarrer, ein Paar
Handschuhe und ein gutes Frühstück.2
Nach dieser Blitzlichtaufnahme aus (für Badener Verhältnisse) extrem früher
Zeit hören wir erst im 16./17. Jahrhundert wieder von Schule und Kirchenmusik. Wie wir
aus zahlreichen Einzelmeldungen erschließen können, war die Situation damals
bereits dieselbe, wie wir sie bis Ende des 18. Jahrhunderts kennen. Der Schulmeister wurde
aus den Mitteln der Pfarre besoldet.3 1550 stiftete
Ludwig Schauer, langjähriger "Mitprediger und Benefiziat" in Baden,
eine liberei (Bibliothek) für den Kaplan und den Schulmeister, die in einer
heute nicht mehr erhaltenen Kapelle an der Südseite der Pfarrkirche eingerichtet
werden und einen eigenen Außenzugang bekommen sollte.4
Als Personal standen ihm ein Succentor (wörtlich "Untersänger"), der auch
in der Schule als Präzeptor (Hilfslehrer) wirkte, und ein Organist zur Verfügung.
In einer Notiz des Jahres 1656 wird uns das ausdrücklich gesagt, durch einzelne
Namensnennungen ist es aber auch für frühere Zeiten belegt.5
Außerdem gab es zwei Sängerknaben, einen Altisten und einen Diskantisten.
Einer von ihnen, Fabian Hungerböck, stieg zu außerordentlichen Ehren auf:
Er wurde um 1530 als Diskantist in die kaiserliche Kapelle aufgenommen. Als er 1533
in den Stimmbruch kam, finanzierte ihm die Kapelle ein dreijähriges Studium an
der Wiener Universität, was jährlich 24 Gulden kostete. Die beiden Sängerknaben
wurden als Belohnung für ihren Einsatz auf Pfarrkosten ein bis zwei Mal im Jahr neu
eingekleidet.6
Über die Besoldung des Schulmeisters und seines Personals wissen wir nichts, aber da
im Gegensatz zu späteren, schlechteren Zeiten ein eigener Organist und ein eigener
Mesner angestellt waren, gab es in der Pfarre selbst kaum Zuverdienstmöglichkeiten.
Wenn man das Einkommen aufbessern wollte, musste man entweder auswärts auftreten - 1627
z.B. übernahmen Schulmeister, Organist und Musikanten von Baden die musikalische
Gestaltung einer Prozession in Gumpoldskirchen und erhielten dafür drei
Gulden7 - oder man musste eine nicht-musikalische
Nebenbeschäftigung suchen. In Baden naheliegend: Fast alle Schulmeister und
Organisten der Frühzeit bewirtschafteten ein, zwei Weingärten und konnten
daher gelegentlich ausstecken. Der Hilfslehrer Johann Jakob Schom arbeitete beim
Steuerinkasso mit, seine Nachfolger betreuten 1679 - 1681 die Uhren auf dem Rathaus,
dem Frauenbad und dem Augustinerkloster, wofür sie jährlich 9 Gulden
erhielten, für das Putzen der Uhren zusätzlich 3 Gulden. Nach der
Türkenzeit wurde das Uhrrichten eine separat besoldete Aufgabe des Schulmeisters,
und er bekam dafür einen Metzen (61,5 l) Weizen jährlich (belegt 1684 - 1689).
Dem Organisten half die Stadtgemeinde meist mit einem Deputat von einem Eimer (56 l)
Most jährlich aus.8
Interessant ist, dass die Organisation von Schule und Kirchenmusik über all die
Jahrzehnte des 16. und 17. Jahrhunderts unverändert blieb, trotz des Chaos, das
durch die verschiedenen immer wieder zwischen katholischer und protestantischer Konfession
schwankenden und manchmal sogar radikal protestantischen Pfarrer entstand. Noch 1656,
als Pfarrer Podner schon zwanzig Jahre lang an einer Konsolidierung des katholischen
Pfarrlebens gearbeitet hatte, musste die kaiserliche Hofkammer feststellen, dass in
Baden Schulmeister, Organist und Succentor ihr Gehalt nur unregelmäßig
ausgezahlt bekamen - es sei ein Wunder, dass sie nicht davonliefen.9
Eigentlich ein schönes Kompliment dieser allerhöchsten Dienststelle für
den Idealismus von Schule und Kirchenchor!
Was die Hofkammer nicht feststellen konnte, war die beachtliche Motivation, die Pfarrer
Podner in seinen Mitarbeitern offensichtlich geweckt hatte - sie ließ sich nicht
an Geldflüssen messen. Zumindest die personelle Ausstattung des Kirchenchors erreichte
unter seiner Ägide einen Höchststand, von dem man in den nächsten 150 Jahren
nur mehr träumen konnte. Folgendes Personal konnte der rührige Pfarrer in den
1660er Jahren für die jährliche Wallfahrt nach Mariazell aufbieten: Schulmeister,
Succentor, Dritte Stimme, 2 Knaben und einen deutschen Vorsinger. Gleichzeitig erfahren
wir, dass es auch Schüler gab, die freiwillig auf dem Chor dienten - eines der
ganz wenigen Zeugnisse über die Zusammensetzung des Kirchenchors in
früheren Zeiten.10
Text: Dr. Rudolf Maurer
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der "Städtischen Sammlungen Baden (Rollettmuseum)".
1 NÖLA, Privaturkunden Nr. 1943.
2 StA Melk, 32 (Baden), Karton 1, Grundbuch der Pfarrkirche Baden, 41r.
3 StA Melk, 32 (Baden), Karton 1, Akten sub dato 1657 (Abschrift eines Dokumentes von 1581).
4 DAW, Pfarre Baden St.Stephan, Testament von 1550 April 1.
5 HKA, Nö. Herrschaftsakten B 1g, f. 10-15. - GC 880. - Vgl. die Namenslisten im Anhang.
6 Niederösterreichisches Gedenkbuch 37/156, zitiert nach: Rainer v. REINÖHL, Baden im 16. Jahrhundert. In: Deutscher Volksbote Jahrgang 49/1916, Nr. 11. - GC 960, 965, 971, 1010.
7 AMG, K 190, KAR 1627.
8 Vgl. Namenslisten im Anhang. - GC 880, 890, 933, 975, 984, 1005, 1037, 1081, 1117, 1135. - Ratsprotokoll 1688-91, 79r.
9 HKA, Nö. Herrschaftsakten B 1g, f. 10-15.
10 DAW, Pfarre Baden, Testament des Pfarrers Johann Podner von 1665 März 14.
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