Giovanni Pierluigi da Palestrina
(ca. 1525 - 2. Februar 1594)
Aus einem Nekrolog und einem Testament stammen die Eckdaten seines Lebens.
Der 1594 verfaßte Nekrolog berichtet, "... er lebte 68 Jahre ..." damit ergibt
sich ein Geburtsdatum zwischen Februar 1525 und Februar 1526. Im Testament
seiner Großmutter aus 1527 werden dem Enkel Giovanni, dem Sohn von Sante und
Palma Pierluigi, ausdrücklich einige Haushaltsgegenstände vermacht. Infolge
der äußerst unruhigen Zeit (Kämpfe um die Vorherrschaft in Italien zwischen
Frankreich und Spanien) ist anzunehmen, daß Giovanni Pierluigi seine frühe
Kindheit in der Heimatstadt seiner Familie verbrachte, in Palestrina, dem
antiken Praeneste. Da die in Frage kommenden Kirchenregister nicht mehr
erhalten sind, ist auch nicht sicher, ob er in Palestrina oder in Rom geboren
wurde. Die Familie Pierluigi ist jedenfalls schon im 15. Jahrhundert in Palestrina
nachweisbar. Die spezifische Zusammensetzung seines Namens Giovanni (Vorname)
Pierluigi (Familienname) unter Hinzufügung der Herkunftsbezeichnung da Palestrina
hat letztendlich dazu geführt, daß er schon früh in Fachkreisen nur mehr kurz
Palestrina genannt wurde.
Vom 25. Oktober 1537 existiert ein notarieller Vertrag zwischen dem Kapellmeister
Giacomo Coppola und dem Kapitel von S. Maria Maggiore in Rom, in dem sich unter
den sechs namentlich aufgezählten Chorknaben auch der Name Joannes de Palestrina
befindet. Mehr ist über seine musikalische Ausbildung nicht bekannt. Im Oktober
1544 unterzeichnet er jedenfalls einen Kontrakt, der ihn zur Tätigkeit an der
Kathedrale S. Agapito in seiner Heimatstadt verpflichtet. Dazu gehören die Leitung
des Chorgesangs für die täglichen liturgischen Feiern, das Amt des Organisten und
die musikalische Ausbildung der Kanoniker und Chorknaben von S. Agapito. Am 12. Juni
1547 heiratet er Lucrezia Gori. Die drei Söhne Rodolfo (1549 - 1572),
Angelo (1551 - 1575) und Inginio (1558 - 1610) sind später alle als
Komponisten in Erscheinung getreten.
1551 wurde Palestrina auf Betreiben Papst Julius III. (1550 - 1555) zum Kapellmeister
in der Peterskirche berufen. Seine erste Publikation - die vierstimmige Messe "Ecce
sacerdos magnus" widmete er diesem Papst, der sich besonders um die Reform der
Kirchenmusik bemühte. Die Ideen seines ebenso reformfreudigen Nachfolgers Marcellus II.
(9. April 1555 - 1. Mai 1555) wirkten so stark, daß Palestrina diesem Papst später
ebenfalls eine Messe widmete.
Der nachfolgende Papst Paul IV. (1555 - 1559) brachte die geplanten Reformen insofern
zum Stillstand, als er die weltlichen Kapellenmitglieder sofort mit einer lebenslangen
Pension entließ und die päpstliche Kapelle zu einer reinen Klerikergemeinschaft
reorganisierte. Palestrina war einer der "Zwangspensionierten" und übernahm mit
1. Oktober 1555 das Amt des Kapellmeisters an S. Giovanni im Lateran. In dieser
Position verblieb er knapp fünf Jahre, bis er 1561 in gleicher Funktion nach
S. Maria Maggiore kam. Anfang 1565 legte Palestrina dieses Amt an S. Maria Maggiore
nieder und wurde als Leiter und Lehrer an das Seminario Romano berufen.
Diese Institution war auf Beschluß des Konzils am 1. Februar 1565 als Ausbildungsstätte
für den Priesternachwuchs gegründet worden. Hier fanden auch zwei seiner Söhne Aufnahme.
Am 1. April 1571 übernahm Palestrina wieder die Kapellmeisterstelle an der Peterskirche
und blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod. Er kehrte damit in eine Position zurück,
die er schon von 1551 - 1555 gehabt hatte.
Das von Papst Paul III. einberufene Konzil von Trient (13. Dezember 1545 - 4.12. 1563)
sollte unter anderem die Frage erörtern, ob die polyphone Musik der kirchlichen Erbauung diene
oder ob sie aus der Kirche zu verbannen sei. Während der letzten Sitzungsperiode des
Konzils von Trient (1562) wurde erstmals über Kirchenmusik beraten. Palestrina war
hoch angesehen und eine Gruppe von Konzilsteilnehmern zeigte großes Interesse an
seinen Kompositionen. Es dauerte allerdings bis April 1565, bis tatsächlich Bewegung
in die schon lang geplante Reform der Kirchenmusik kam. Im Haus eines Kardinals fand
eine Anhörung statt, bei der Mitglieder der "Capella Sistina" einige neuere Meßvertonungen
vortragen mußten. Mit großer Wahrscheinlichkeit war auch die vermutlich 1562 komponierte
"Missa Papae Marcelli" von Palestrina darunter. Die schon im frühen 17. Jahrhundert überlieferte
Vorstellung, Palestrina habe mit dieser sechsstimmigen Messe die polyphone Kirchenmusik
vor einem Verbot "gerettet", ist aber in das Reich der Legende zu verweisen. Im Juni des Jahres
erhielt er von Papst Pius IV. (1559 - 1565) eine Erhöhung seiner Pension als ehemaliges
Mitglied der Capella Sistina und den Ehrentitel eines "Modulator pontificus",
eines päpstlichen Komponisten. Das unterstreicht die Bedeutung Palestrinas, die er
bereits im nachkonziliaren Rom hatte. Sein Ruhm war weit über die Alpen gedrungen,
denn im Winter 1567 verhandelte er mit einem Gesandten Kaiser Maximilians II. über
die ihm angetragene Stelle eines Hofkapellmeisters in Wien. Es scheiterte aber wie
so Manches am Geld. Maximilian war nicht bereit, Palestrinas finanzielle Forderungen
zu erfüllen. Im Auftrag Papst Gregors XIII. (1572 - 1585) wurde er zusammen mit einem
weiteren Mitglied der Cappella Sistina beauftragt, die Choralgesänge zu reformieren.
Als ausübender und schaffender Künstler war er tätig bis zu seinem Tod am 2. Februar 1594.
Er erhielt ein Grab in der Peterskirche mit der Inschrift Musicae princeps, Fürst der Musik.
Werke:
Auf Grund seiner Ämter ist es verständlich, daß der überwiegende Teil seines Werkes
kirchliche Musik ist. 104 Messen gelten als gesicherte Werke Palestrinas, zahlreiche
weitere werden ihm zugeschrieben. Ungefähr die Hälfte davon ist vierstimmig, über
dreißig Messen sind fünfstimmig und außer der schon erwähnten Missa Papae Marcelli
gibt es rund 20 sechsstimmige Messen. Fast 400 Motetten stammen aus seiner Feder,
die zum großen Teil gedruckt überliefert wurden, ein beträchtlicher Teil ist aber
nur in Handschriften überliefert. Die eindeutige Urheberschaft Palestrinas bei den
handschriftlichen Noten ist aber nicht bei allen erwiesen. Seine "Missa aeterna
Christi munera" zählt zu unseren Repertoiremessen und erklang bei unserer Reise
1994 in der Kirche St. Anna in Jerusalem und im Jahr 2000 im Rahmen unserer
Ägypten-Jordanienreise am Berg Nebo.
Text: Adelheid Hlawacek
Quelle:
Musik in Geschichte und Gegenwart; 2., neubearb. Ausg., Personenteil Bd 13, Kassel 2005
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