Bernhard Nefzger (1874 – 1948)

Bernhard NefzgerBernhard Nefzger kam am 16. November 1874 in Neuwaldegg, das damals noch zu Niederösterreich gehörte, als Sohn des Zimmermanns Bernhard Nefzger (geb. 10.10.1849) und seiner Frau Katharina, geb. Kaltenberger (geb. 10. 11. 1855) zur Welt. Er wuchs zusammen mit vier Geschwistern auf und besuchte die Volksschule in Dornbach. 1891, mit knapp 17 Jahren begann er seine Ausbildung am “Conservatorium für Musik und darstellende Kunst der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien”. Er studierte Flöte und Horn. Mit dem Solohornisten (1870 – 1895) der k. u. k. Hofoper Josef Hermann Schantl (1842 – 1902), der auch im Orchester von Johann Strauß Sohn spielte, hatte er einen ausgezeichneten Lehrer. Im Sommersemester 1901 studierte er bei Hermann Grädener (1844 – 1929) Harmonielehre und doppelten Kontrapunkt, bei Robert Fuchs (1847 – 1927) Musiktheorie. Die Schülerliste von Robert Fuchs gleicht einem Auszug aus einem Musiklexikon: Leo Fall, Richard Heuberger, Erich Wolfgang Korngold, Jean Sibelius, Franz Schmidt, um nur einige aufzuzählen. An der Universität war er u.a. auch Schüler von Anton Bruckner.

In den Jahren 1900 und 1901 besuchte er Kurse an der Kirchenmusikschule des Wiener Ambrosiusvereines und des Cäcilienvereins. Von Oktober 1895 bis März 1902 spielte er unter C. M. Ziehrer in dessen Orchester. Im handschriftlich ausgestellten Zeugnis Ziehrers vom 16. März 1903 lobt dieser sein Können, vor allem wenn Nefzger ihn beim Dirigieren vertreten mußte. Das Original des Zeugnisses befindet sich im Nachlaß Nefzger in der Musiksammlung des Stadtarchivs Baden. Von 1901 bis 1910 war er u. a. Mitglied des Theaterorchesters und der Kurkapelle, die von 1892 bis 1904 unter der Leitung von Karl Komzak stand.

Mit 2. Februar 1910 übernahm Nefzger das Amt des Regens chori in der Stadtpfarrkirche St. Stephan. Der damaligen Stadtpfarrer Prälat Karl Frim hatte ihn dazu berufen, welchem er seine “Missa in honorem St. Caroli” widmete. Sie wurde vermutlich im Frühjahr 1914 erstmalig aufgeführt. In St. Stephan gab es zwar einen Chor (seit Beginn des 16. Jahrhunderts mit Unterbrechungen nachgewiesen), der damals aber nur aus einer kleinen Zahl von Sängern bestand, mit der man kaum anspruchsvolle Kirchenmusik zu Gehör bringen konnte. Voll Energie und Liebe zur Sache brachte Nefzger in erstaunlich kurzer Zeit einen Chor zu Stande, mit dem er sich auch an schwierigere Kirchenmusik wagen konnte. Er dachte aber auch an die Zukunft und gründete eine Chorschule, in der er unentgeltlich Knaben und Mädchen gesanglich bildete und sie für geistliche Musik zu begeistern verstand. Seine Chorschule hatte auch eine eigene Abteilung für Harmonielehre und Sologesang. Nur so war es möglich, “eigene Solisten” heranzubilden, die später Hervorragendes leisten sollten. Als am 15. August 1911 die Gedenktafel in der Stadtpfarrkirche für Mozarts “Ave verum” feierlich enthüllt wird, bietet der Chor im Hochamt den Kirchenbesuchern bereits ein anspruchsvolles Programm.

Nefzger 1948 an der Orgel

Nefzger 1948 an der Orgel

Im selben Jahr wurde auch auf Nefzgers Anregung hin der Kirchenmusikverein wieder gegründet. 1913 bekam die Kirche eine neue Orgel. Aus diesem Anlaß gestaltete Nefzger mit dem Chor ein großes Kirchenkonzert. Bedeutende Werke der Kirchenmusik kamen unter seiner Leitung zur Aufführung. Als 1921 die “Vereinigung der Badener Musikfreunde” gegründet wurde, war er deren erster Dirigent. Als erstes Konzert brachte er Josef Haydns Oratorium “Die sieben Worte des Erlösers” zur Aufführung. Ab 1923 stand ihm mit Prof. Viktor Dostal (1893 – 1962) ein Künstler in seinem Fach an der Orgel zur Verfügung. Von 1918 bis 1930 war Nefzger auch für die Kirchenmusik in St. Helena verantwortlich.

Der Ehe mit Gabriele Czernilofsky (8. 10. 1883 – 26. 4. 1957) entstammt die Schauspielerin Paula Nefzger (2. 6. 1913 – 13. 9. 1973), die im Februar 1932 das erste Mal im Badener Stadttheater auftrat. In der Gemeinderatssitzung vom 29. Jänner 1935 erhielt Nefzger das Bürgerrecht in Baden, das ihm vor allem wegen seiner verdienstvollen Tätigkeit als Regens chori verliehen worden war.

Der auch heute noch chronische Geldmangel vieler Kirchenchöre zwang Nefzger zu zahllosen Notenabschriften. Er legte von allen Werken, die er zur Aufführung brachte, Partituren an, wenn keine vorhanden waren. Zahllose Einzelstimmen vieler Messen, von seiner Hand geschrieben, existieren im Archiv des Chores und werden immer noch verwendet.

1929 fand Nefzger nicht nur eine ursprünglich Mozart zugeschriebene Messe, er brachte seine “Große Messe in B-Dur” für Soli, gemischten Chor, Orchester und Orgel, op. 45 zur Uraufführung. Gewidmet ist sie Prälat Dr. Seipel, der aus diesem Anlaß am 23. Juni 1929 in Baden anwesend war. Im August 1930 gelangte Mozarts B-Dur Messe KV 275, zur Aufführung. Es sollte daran erinnert werden, daß Mozart diese Messe 150 Jahre früher in Baden selbst dirigiert hatte.

Schörflinger MesseNefzger war aber nicht nur Chorleiter und Dirigent, er komponierte zahlreiche größere und kleinere Werke, nicht nur für den kirchlichen Gebrauch. Lieder, Couplets und Bearbeitungen von Volksliedern für verschiedene Besetzungen stammen von ihm. Ein Quartett mit Baritonsolo “Im Morgengrauen” widmete er 1916 Erzherzog Eugen, der ihm als Dank neben dem üblichen Schreiben auch eine wertvolle silberne Uhr (“Schaffhausener Präzisionsuhr”) mit dem eingravierten Wappen als Dank überreichen ließ. Die Uhr befindet sich heute im Besitz von Nefzgers Urenkel. Im Zuge der Wirren zu Kriegsende floh Nefzger mit seiner Familie nach Kammer/Attersee zu einem Bruder. Dort entstand die “Missa in honorem St. Trinitas, für Sopran, Alt, Tenor u. Baß mit Orgel, op. 68”, die “Schörflinger Messe”. In der handgeschriebenen Partitur findet sich folgender Eintrag: Mangel an Notenpapier, Briefpapier selbst auf Notenpapier liniert. Das Titelblatt zeigt das Aquarell einer Gebirgslandschaft mit Holzhütte und Landungssteg an einem See mit Segelboot. Auf der nebenstehenden Seite findet sich der Vermerk: In dieser Laube (nebenstehend) wurde diese Messe komponiert. Wie schwierig die Zeiten auch zwei Jahre später noch waren, belegt der Brief einer Bekannten in den USA, die ein Care-Paket ankündigt und Notenpapier schicken will.

Völlig überraschend starb Professor Nefzger am 8. Juli 1948. Sein Arbeitsplatz im Cafe Fischer am Josefsplatz – dort, wo sich heute das Arbeitsmarkt-Service befindet – und im Cafe Brusatti – heute Hotel Artner/Pennymarkt Ecke Roseggerstraße/Kaiser Franz Josef-Ring – blieb leer. Das für ihn reservierte Fach, in dem er Notenpapier und andere für seine Arbeit notwendigen Unterlagen aufbewahrt hatte, wurde frei. Nefzger war kein sogenannter “Kaffehausliterat”, er war Kaffehaus-Komponist gewesen. Die Aufführung seiner “Dankmesse”, die er eigentlich schon 1942 für den erhofften Sieg komponiert hatte, wurde erst am 22. Oktober 1955 in St. Helena zum Dank für die Befreiung aufgeführt.

Nefzger verfaßte auch zahlreiche musiktheoretische Werke, u.a. praktische Anleitungen für Chorleiter und Organisten, einen Leitfaden zur Gesangsausbildung, aber auch “Leichtfaßliche Vorlesungen über Harmonielehre”. Sie sind die schriftliche Form einer Vortragsreihe, die Nefzger als “Abendkurse” in der Volksschule Helenstraße gehalten hatte. In einer Zeitung vom 15. Oktober 1919 bietet Nefzger Kurse an:

  • für Chor- und Sologesang (Vom-Blatt-singen) für Mädchen, Damen und Herren
  • für Harmonium und Orgel
  • Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition

 

Werke:

Kirchliche Werke:

  • Missa in honorem St. Caroli in G, op. 39 für Soli, Chor und Orchester
  • Goße Messe B-Dur, op. 45 für Soli, gemischten Chor, Orchester und Orgel
  • Messe solenelle, op. 61
  • Missa in honorem St. Trinitas, für Sopran, Alt, Tenor u. Baß mit Orgel, op. 68, die “Schörflinger Messe”.
  • Requiem Es-Dur op. 33 für Chor, Orgel und Bläser
  • Libera in b-Moll, op. 34
  • Proprien
  • Vater unser, op. 36 für Piston-Solo mit Orchester frei nach Praetorius für 1 Singstimme und gemischten Chor oder Männerchor
  • Tantum ergo
  • Christi Geburt; Weihnachtskantate, op. 40
  • u.v.a.

Weltliche Werke:

  • Hochzeitslied
  • Gretelein
  • Eine Bauernhochzeit in Niederösterreich; Suite für großes Streichorchester
  • D’ Schwefelkinder, Marschlied op. 23 (“Badener Heurigen-Marsch”)
  • Die Rosen von Baden; Mazurka für Klavier
  • Am Berg steht a’ Häuserl (Text und Musik)
  • Volksliedersätze
  • u.v.a

Text: Adelheid Hlawacek