Georg Lindtner (Regens chori um 1680)

Nachdem der langjährige Schulmeister Udalrici 1678 in Pension gegangen und bald darauf an der Pest gestorben war, brach in Schule und Kirchenchor das Chaos aus. Kein Wunder! 1679/80 war ein Drittel der 1800 Einwohner Badens der Seuche zum Opfer gefallen, und von den verbleibenden 1200 überlebten nur rund 350 den Türkenkrieg des Jahres 1683 und den anschließenden Katastrophenwinter, etwa die Hälfte davon Kinder. Da es in anderen Orten ähnlich war, konnte man bei der Auswahl des Lehrpersonals nicht heikel sein und mußte nehmen, was sich anbot. Zunächst wurde Georg Lindtner als Nachfolger Udalricis angestellt. Als Succentor hätte ihm Paul Fux zur Seite stehen sollen, doch herrschte zwischen ihm und dem Schulmeister-Ehepaar ständiger Streit, der häufig vor dem Stadtrichter endete. Als auch aus der Bevölkerung Klagen gegen die beiden Schulmänner laut wurden, beschloß die Gemeinde, beide zu entlassen.

Erstaunlicherweise hatte der entlassene Succentor die Courage, sich um den Schulmeisterposten zu bewerben und noch erstaunlichererweise befürwortete der Pfarrer dieses Gesuch. Daher wurde der Leobersdorfer Schulmeister Melchior Tipp, der sich gleichfalls um die Stelle beworben hatte, abgewiesen. 1)

Paul Fux (Regens chori von 1682 – 1690)

Am 21. April 1682 trat also Paul Fux seinen Dienst als Schulmeister und regens chori an, was in Kreisen der Bürgerschaft wütende Proteste auslöste. Die lautesten Krakeeler wurden wegen Beleidigung des Pfarrers zu saftigen Geldstrafen verurteilt. Doch zeigte sich bald, daß Fux seiner Aufgabe als Chorregent nicht gewachsen war. Man beeilte sich nun, einen Succentor mit Schwerpunkt Kirchenmusik suchen. Am 4. Juli 1682 wurde Augustin Ficthor angestellt – mit Vorbehalt, denn ausdrücklich wurde festgehalten: bis ein tauglicher individuum vorkomt. Am 28. Juli wurde sogar eine neue Schulordnung erlassen, um alles wieder in geordnete Bahnen zu lenken – es half nichts, im Mai 1683 hatten einzelne Bürger noch immer schwerste Vorbehalte. 2)

Fux mag ein unleidlicher Geselle gewesen sein, aber lebenstüchtig war er, denn er gehörte zu den wenigen Überlebenden des Türkenkrieges – im Gegensatz zu seinem Succentor. Nach der fast völligen Vernichtung der Stadt hatten die verbleibenden Badener ganz andere Sorgen als Schule und Kirchenmusik, doch schon 1685 begann sich wieder leise Kritik an den Leistungen des Schulmeisters zu regen. 1688 stellte man ihm den Hilfslehrer Georg Schwarzmayer an die Seite, doch leider entpuppte sich dieser als Alkoholiker, der ständig in Wirtshausschlägereien verwickelt war. Fux wurde immer nachlässiger im Dienst, dafür mißhandelte er die Kinder und regte sich fürchterlich auf, wenn er zur Rede gestellt wurde. 1689 wurde er mit dem Kotter bedroht, die ersten Eltern begannen, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen. 1690 versuchte man es mit einem neuen Succentor namens Johann Reichard Balthasar Maywolff. Damit hatte man einen guten Griff getan, doch Fux vernachlässigte weiter die Ausbildung der Sängerknaben und wurde immer frecher, wobei ihn seine Frau rhetorisch unterstützte. Zu Ende des Jahres wurde Fux entlassen; um den Teil der Bürgerschaft, der seine brutalen Methoden für berechtigte Strenge hielt, ruhig zu stellen, wurde ihm sogar eine Abfertigung zuerkannt. Der Pfarrer dagegen nannte ihn auf der Chronikseite seines Matrikenbuchs homo contentiosus et parum musicus (ein streitsüchtiger und unmusikalischer Mensch). 3)

Sein Nachfolger wurde Ende 1690 Georg Reinwald aus Maisbirbaum, aber Schule und Kirchenchor konnten nur ein Jahr aufatmen, dann machte Reinwald eine gute Partie und schlug eine neue Karriere ein, die ihn bis zum Stadtrichteramt führen sollte (darüber wird im Link Die Reinwalds Näheres berichtet).

Paul Würth (Regens chori von 1692 – 1693)

Am 2. April 1692 trat Paul Würth, zuvor Schulmeister zu Poßling, seinen Dienst als Schulmeister und Mesner an. Nach Meinung des Pfarrers war er ein vir bonus, ein guter Mann, doch aus Sicht der Gemeinde hatte er den Nachteil, daß er bei jeder Gelegenheit finanzielle Forderungen erhob, das von ihm abhängige Kirchenpersonal aber prinzipiell nicht oder schlecht bezahlte, sodaß Kündigungen häufig waren. Schon am 30. April ging Succentor Maywolff (was Richter und Rat lebhaft bedauerten), zu Ende des Jahres hatte auch sein Nachfolger Johann Adam Lamb (auch Langer geschrieben) genug, Anfang 1693 gab der Hilfsmesner auf, und – Ende März mußte Würth selbst gehen. 4)

Matthias Lazer (Regens chori von 1693 – 1694)

Bereits am 16. Februar 1693 hatte Matthias Lazer oder Luzer, Schulmeister im Markt Orth, eine Proben seines Könnens in Gesang und Orgelspiel abgelegt, im April konnte er seine Stelle antreten. Vielleicht hätte der Rat auch seine pädagogischen Fähigkeiten überprüfen sollen, denn sehr bald zeigte sich, daß der Schulmeister die kleineren Schüler grausamblich schlug, die größeren aber für seine eigenen Zwecke arbeiten ließ und sogar Schulfremden als Leiharbeiter zur Verfügung stellte. Doch die Gemeindeväter waren schon abgebrüht. Mit Verwunderung lesen wir im Ratsprotokoll: Herauf ist nichts veranlaßt worden. Gegen Ende des Jahres warf der Succentor Martin Schuller, der nicht nur ein Badener Bürgersohn, sondern nach Meinung der Gemeinde in musicalibus woll erfahren war, das Handtuch. Als im Jänner 1694 ein neuer Hilfslehrer namens Konrad Bürgin eintraf, kam der Schulmeister überhaupt nicht mehr in die Schule, und wenn er darauf angesprochen wurde, führte er aufsässige Reden. Als er im Mai (nach Meinung der Bürger) schwerste Hagelschäden verursachte, weil er mit dem Wetterläuten zu spät anfing, war es auch um diesen Schulmeister geschehen. Zu allem Überfluß stellte sich dann während der dreimonatigen Kündigungsfrist noch heraus, daß er weder Lazer/Luzer hieß noch überhaupt Schulmeister war, sondern ein ganz gewöhnlicher Betrüger namens Emer war. Die Gemeinde trug das gar nicht mehr ins Ratsprotokoll ein, weil es ohnehin schon irrelevant war, nur der Pfarrer vermerkte es leicht erschüttert in seinem Taufbuch. 5)

Anton Jung (Regens chori von 1694 – 1695)

Noch während der Kündigungsfrist des betrügerischen Lazer/Luzer/Emer hatte sich Anton Jung, ein Jus-Student aus Landegg in Meran, um seine Stelle beworben. Da er eine schöne Baßstimme hatte, wurde er sogleich als Succentor angestellt. Zu Michael (29. September) konnte er die Schulmeister- und Chorleiterstelle antreten – nach den Erfahrungen der letzten Jahre zunächst einmal provisorisch, erst am 18. Jänner 1695 wurde er fix angestellt. Bis dahin scheint sich Jung sehr angestrengt zu haben, doch nun zeigte sich, daß Studium und die Leitung von Schule und Chor auf längere Sicht nicht vereinbar waren. Schon einen Monat nach der Definitivstellung beklagte sich der Pfarrer über Mängel im Dienst. Jung wieder mußte dauernd Vertretungen bezahlen, die er sich nicht leisten konnte – allein für das häufige Wetterläuten verlangte sein Ersatzmann einen halben Gulden pro Einsatz! Am 9. September zog der Schulmeister die Konsequenzen und kündigte. 6)

Paul Fux, die Zweite (Regens chori von 1695 – 1699)

Wie mürbe Richter und Rat von den ständigen Querelen schon waren, zeigt die Wahl des Nachfolgers: Als sich der vor wenigen Jahren geschaßte Paul Fux wieder um seine alte Stelle bewarb, bekam er sie ohne weitere Diskussionen! Freilich nahm man ihm soweit wie möglich die Kirchenmusik aus der Hand. Die sollte nun der Succentor übernehmen, der auch für die Ausbildung des einen Sängerknaben zuständig war. Da aber diese beiden Aufgaben eigentlich dem Schulmeister zustanden, mußte dieser den Succentor aus seiner eigenen Tasche bezahlen. Außerdem wurde erstmals seit vielen Jahren wieder ein Turnermeister angestellt, dem auch die Ausbildung des anderen Sängerknaben übertragen wurde. Von all seinen kirchenmusikalischen Funktionen war dem Schulmeister nur das Orgelspiel geblieben. Im übrigen polarisierte er wie eh und je. Als einer der Ratsherren seine Schulordnung als Produkt eines Narren erklärte, ließ Fux seinen Zorn an dessen Kindern aus: Die Tochter schlug er mit den Lineal so auf den Kopf, daß sie einen Gehörschaden erlitt, den Sohn schlug er mit der Spießrute, daß er fast ein Auge verlor. Während der Vater exemplarische Bestrafung verlangte, scheint man die Vorgangsweise des Schulmeisters in der Bevölkerung für eine begnadete Pädagogik gehalten zu haben. Anders ist es wohl nicht erklärlich, daß plötzlich ein derartiger Zustrom in die Schule einsetzte, daß sie nach und nach um zwei Räume erweitert werden mußte! Unzufrieden war nur der Pfarrer – nicht wegen der brutalen Unterrichtsführung, sondern er konnte das Orgelspiel nicht ertragen. Anfang 1699 gewann er den Mödlinger Schulmeister und regens chori Kaspar Winkhler dafür, um die Badener Stelle anzusuchen. Nach langem Streit zwischen Pfarrer und Stadt entschloß man sich im Herbst 1699, die Schulmeisterstelle zu teilen und Winkler als regens chori anzustellen! Paul Fux war wütend und beschimpfte den Pfarrer derart, daß ihn nur mehr eine persönlich überreichte schriftliche Entschuldigung vor dem Arrest bewahrte. Schulmeister und Chorleiter lagen natürlich im Dauerstreit und, was das Ärgste war, die Gemahlinnen der beiden ebenfalls. Da die Aggressionen eindeutig von Familie Fux ausgingen, wurde am 9. Dezember die Entlassung ausgesprochen, sie sollte am 13. August 1700 in Kraft treten. 7)

Fux hatte Zeit genug, um Vorsorge für seine Zukunft zu treffen, und er tat das auf seine Weise. Als sein Nachfolger in die Schule kam, war die Klasse halbleer. Fux hatte in der Nachbarherrschaft Gutenbrunn seine eigene Schule eröffnet, und dorthin hatte ihm seine zahlreiche Anhängerschaft die Kinder nachgeschickt. Es war zwar eine “Winkelschule”, d.h. eine ungesetzliche Schule, aber erst 1703 ließ sich das Verbot durchsetzen. Nun wurde Fux Schulmeister in Brunn am Gebirge, noch 1710 durfte sich die dortige Jugend an den Segnungen seiner Pädagogik erfreuen. 8)

Kaspar Winkhler (Regens chori von 1699 – 1701)

Kaspar Winkhler wurde nun auch Schulmeister, doch zeigte sich alsbald, daß er ein Alkoholproblem hatte. Bei einer Wallfahrt nach Hietzing im September 1700, nicht einmal einen Monat nach Antritt seines Dienstes, trank er sich einen dickhen rausch an, was peinlicherweise weithin sicht- und vernehmbar war. Der Kaplan bedachte ihn daraufhin mit dem Schimpfwort “Kohlenbrenner”. Winkhler war voll in Fahrt und konnte das nicht auf sich sitzen lassen: “Hurenpfaff” war seine Entgegnung!

Der Skandal war fürchterlich. Winkhler war zu jeder erdenklichen Genugtuung bereit; er beteuerte, von nun an keinen Tropfen mehr trinken zu wollen; seine schriftliche Entschuldigung wurde sogar vor einer Bürgerversammlung verlesen. Richter und Rat hätten ihn wegen seiner schönen Handschrift und Musik gern auf Bewährung behalten, doch die Bürgerschaft trauerte noch immer dem alten Fux nach, und so war Winkhlers Schicksal besiegelt, mehr als die halbjährige Kündigungsfrist, die man auch Paul Fux zugestanden hatte, war nicht zu erreichen. 9)

Johann Michael Franz Triebswetter (Regens chori von 1701 – 1703)

Am 24. Mai 1701 trat Johann Michael Franz Triebswetter, bisher Schulmeister und Organist in St. Leonhard am Forst, die Badener Stelle an. Am 17. Dezember beschuldigte seine Frau die Hirschenwirtin, ein Verhältnis mit ihrem Mann zu haben. Eine Untersuchung erwies die Haltlosigkeit der Beschuldigungen, doch die Schulmeisterin hatte weiterhin so graußambe schandt- und scheldthändl mit der Hirschenwirtin, daß Richter und Rat Mord und Totschlag befürcheten (so steht es ausdrücklich im Ratsprotokoll!) und Frau Triebswetter im April 1702 die “Fiedel” anlegten. Und die Bürger waren noch immer ekelhaft: Sie beschuldigten den Schulmeister, sich nur selten in der Schule blicken zu lassen, und da man ihm sonst anscheinend nichts nachsagen konnte, beschwerte man sich nun über die Grobheit des Succentors – ein besonders grotesker Vorwurf, waren es doch dieselben Bürger, die ihre Kinder nach wie vor in die Winkelschule zum brutalen Fux schickten! Diesen ständigen Aufregungen war Triebswetter nicht gewachsen, im Mai 1703 erlöste ihn der Tod von seinem aufreibenden Berufs- und Familienleben. 10)

Nach 25 Jahren Chaos waren Schule und Kirchenchor zweifellos an einem Tiefpunkt. Doch nun hatte der Ratsherr Georg Reinwald, der selbst ein Jahr lang Schulmeister und regens chori gewesen war, genug. Es ist wohl seiner Intervention zu verdanken, daß sich nun ein wirklich tüchtiger Mann um die freie Stelle bewarb. Doch darüber wird im Link Die Reinwalds berichtet.

Text: Dr. Rudolf Maurer

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der “Städtischen Sammlungen Baden (Rollettmuseum)”.

  1. Propositionsbüchel des Stadtrichters Johann Stainer, zitiert nach: Gustav CALLIANO, Geschichte der Stadt Baden (Baden o.J.), 899, 974, 976, 1010, 1017. – Gb. Augustiner neu A, 34v.
  2. Propositionsbüchel 1021, 1025, 1026, 1029, 1031, 1064.
  3. Propositionsbüchel 1115, 1117, 1134, 1140. – Ratsprot. 1688 – 1691, 8r, 76v, 78f., 81r, 103r, 117r, 119r, 122v, 134r, 138r, 138r, 139r, 159r, 161r. – Taufrapular 1677, S. 361.
  4. Taufrapular 1677, S. 361. – Ratsprot. 1692, 37v, 71r, 90v. – Ratsprot. 1692 – 1694, 1v, 14v, 26r, 49v, 63r, 78v, 81v.
  5. Ratsprot. 1692 – 1694, 49v, 63r, 149r, 197r, 210r, 218v, 234v. – Taufrapular 1677, S. 361.
  6. Ratsprot. 1694 – 1697, 18v, 32r, 58r, 66r, 84r, 98r, 143r, 155r.
  7. Ratsprot. 1694 – 1697, 155r, 160v, 164r, 189v, 203r, 331r. – Ratsprot. 1698 – 1703, 10r, 14r, 92r, 118r, 120r, 127r, 128r, 130r, 138r, 163r.
  8. Ratsprot. 1694 – 1697, 238r, 240v, 259r. – Ratsprot. 1707 – 1711, 560r.
  9. Ratsprot. 1698 – 1703, 165r, 138r, 148r, 259r, 271r, 273v.
  10. Ratsprot. 1698 – 1703, 271r, 296v, 318v, 330r, 331v, 359r, 425v.