Georg Reinwald (Regens Chori von 1690 – 1692)

Am 22. Juli 1690 beschlossen Richter und Rat der Stadt Baden, sich von dem konfliktfreudigen und unmusikalischen Schulmeister und Chorregenten Paul Fux zu trennen. Bereits am 14. August hatte der Pfarrer einen geeigneten Kandidaten: Georg Reinwald, Schulmeister von Maisbirbaum.1 Leider mußte der neue Mann noch warten, bis seine Stelle nachbesetzt war – köstlich barock sein Dank- und Entschuldigungsschreiben vom 20. August 1690:

Edl wollweiser stattrath, großgünstig-gebüetunte und hochgeehrte herren! Weillen mier dann von einem löbl. stattmagistrat der schuell- und mössnerdienst vergünstiget worden, alß erforderte mein höchste schultigkeit, für solche grosse gnad schuldigste dankbarkeit abzustatten. Weillen ich aber wegen meines habenten dienst jetziger zeit nicht außkann, alß thue ich mich underfangen, mit meinen unwürdigen zeillen schuldige dankbarkeit ab(zu)legen. Hingegen verobligire mich auch, daß ich mich in allen mier zuestendigen verrichtungen verhalten werde, daß ein löbl. stattmagistrat an mier ein sattsambes geniegen werden haben, will mich auch auf alle weiß befleissen, ehestens selbsten aufzuwarthen und erweisen, daß ich allzeit sein und verbleiben werde Euer vest und herrlichkeit und eines löbl. stattmagistrat gehorsamber Georg Reinwald.2

Bis auf weiteres mußte also der gekündigte Paul Fux sein Amt weiter ausüben, erst am 4. November traf Reinwald in Baden ein. Sogleich wurde er gemeinsam mit Succentor Maywolff von Richter und Rat vorgeladen, um ihm offiziell zu erklären, wie man sich üblicherweise gegenüber der Jugend und dem Chor zu verhalten habe. Für Reinwald war diese Belehrung überflüssig – für seine soziale Einstellung spricht es, daß er noch im selben Jahr die Taufpatenstelle für ein kleines Flüchtlingskind übernahm, dessen Vater ein türkischer Pascha zu Temesvar war.

Freilich dürfte Reinwald schnell erkannt haben, daß die Schulmeister- und Mesnerstelle mit ihrem geringen Einkommen keine geeignete Basis für einen weiteren Aufstieg im Leben darstellte. Gerade ein Jahr nach seinem Dienstantritt kündigte er schon wieder (das Bedauern darüber war Richter und Rat sogar eine eigene Eintragung im Ratsprotokoll wert), am 2. April trat sein Nachfolger den Dienst an.3

Die Karriere Reinwalds verlief nun kometenhaft: Im Dezember 1691 kaufte er das Haus des Glockengießers Ludolph Overlach (Frauengasse 8), am 10. Februar 1692 heiratete er in die Familie eines einflußreichen Ratsherrn ein und wurde nun Leiter eines Transportunternehmens – “Landkutscher” nannte man das damals; 1699 war er bereits Angehöriger des Inneren Rats (entspricht dem heutigen Stadtrat), 1709 war er Leiter des Kammeramtes (sozusagen Finanzminister der Stadt) und von 1712 bis zu seinem Tod 1744 bekleidete er als Stadtrichter das höchste Amt der Stadt. Er erwarb sich dabei ein solches Ansehen, daß sein Sohn Leopold 1733, u.a. unter Hinweis auf den “besonderen Ruhm” des Vaters, geadelt wurde.4

Michael Reinwald (Regens Chori von 1703 – 1731)

Obwohl Georg Reinwald nur wenig über ein Jahr Schulmeister gewesen war, war es ihm nicht gleichgültig, daß nach seinem Abgang in Schule und Chor wieder das Chaos ausbrach – zeitweise wurde sogar der einst abgesetzte Paul Fux zurückgerufen. Als sich im Mai 1703 ein gewisser Michael Reinwald, Schulmeister zu Herzogbirbaum, um die Badener Schulmeisterstelle bewarb, hatte sicher der Ratsherr Georg Reinwald die Hand im Spiel – die Namensgleichheit und die geringe Entfernung der Herkunftsorte (beide Bezirk Korneuburg) lassen eine nahe Verwandtschaft vermuten, doch ist nirgends Genaueres darüber überliefert.

Jedenfalls konnte der neue Schulmeister und Regens Chori seine Stelle Ende Juni 1703 antreten. Energisch trat er gegen den eingerissenen Schlendrian auf, was freilich nicht überall auf Gegenliebe stieß. Der Widerstand formierte sich um den bisherigen Succentor, einen notorischen Grobian, von dem sich Reinwald immer wieder beschimpfen lassen mußte. Zu Weihnachten 1706 reichte es ihm, und er versetzte seinem unbotmäßigen Hilfslehrer ein paar Ohrfeigen. Die Sache kam natürlich vor den Rat, aber siehe da – die wohlweisen Herren verzichteten auf eine Bestrafung des Chorregenten und gestatteten ihm stattdessen, einen besseren Succentor zu suchen!5

Damit hatte Reinwald den Durchbruch geschafft, von nun an konnte er Schule und Kirchenmusik ohne Quertreibereien nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Er setzte auch gleich einen Neuanfang, indem er noch im selben Jahr den kastrierten Sohn des Franz Wurmb auf sechs Jahre zur musikalischen Ausbildung übernahm.6 Welches Ansehens er sich bald erfreute, läßt sich daraus ersehen, daß er seit 1708 immer wieder als Trauzeuge gebeten wurde – einen Schulmeister als Trauzeugen hatte es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben!7 Seine weitere Karriere verlief nun so glatt und harmonisch, daß er über 20 Jahre lang nicht mehr im Ratsprotokoll aufscheint; nur eine kleine Zusatzaufgabe ist erwähnt, die man ihm im Jahre 1710 übertrug: Er mußte die Kinder an Sonn- und Feiertagen in die Kirche führen (aber nur im Sommer, im Winter durften sie zuhause bleiben, weil die Kirche zu kalt für sie war).8

Auch von seinem Privatleben ist nur bekannt, daß er einige Jahre vor seinem Tod ein zweites Mal heiratete und daß sich keines der vier überlebenden Kinder für seine Nachfolge interessierte (obwohl seine Tochter Barbara im Jahre 1730 den Succentor Anton Perchtold heiratete, von dem sie vier Tage vor der Hochzeit ein Kind bekommen hatte).9

Einzigartig aber ist der kleine Nachruf, den der Pfarrer seinem langjährigen Chorleiter 1731 im pfarrlichen Sterbbuch widmete: Michael Reinwold, regens chori et ludimagister, vir prorsus egregius et qui ob musicam multa sibi merita comparavit in ecclesia nostra, quem ferme omnes multis lacrymis ad sepulchrum comitati sunt. Requiescat in pace. Alt 55 Jahr.10

“Am 21. März 1731 (wurde begraben) Michael Reinwold, regens chori und Schulmeister, ein ganz hervorragender Mann, der sich um die Musik in unserer Kirche viele Verdienste erwarb. Fast alle geleiteten ihn unter vielen Tränen zum Grab. Er ruhe in Frieden. Er war 55 Jahre alt.”

Text: Dr. Rudolf Maurer

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der “Städtischen Sammlungen Baden (Rollettmuseum)”.

1 Ratsprot. 1688 – 1691, 139r, 144v.
2 StA B, GB 387/1690.
3 Ratsprot. 1688 – 1691, 146v, 157v, 264v. – Taufbuch tom. I, fol. 92, 120. – Ratsprot. 1692, 16v.
4 Ratsprot. 1692, 29v, 56v. – Taufbuch tom. I, fol. 120. – Traubuch tom. I, fol. 55. – ROLLETT 12/1899, 63. – Gb. Augustiner neu C, 19r. – Gb. Gaming H, 238v.
5 Ratsprot. 1697 – 1703, 449r. – Ratsprot. 1703 – 1707, 1v, 383v.
6 Ratsprot. 1707 – 1711, 20v.
7 Traubuch tom. II, fol. 7, 29, 68, 150.
8 Ratsprot. 1707 – 1711, 431r.
9 Gb. Gaming M, 337v. – Traubuch tom. III, fol. 68. – Taufbuch tom. III, fol. 130.
10 Sterbbuch tom. III, fol. 123.