Carl Zanetti sen. (1839 - 1905)
Regens chori 1872 - 1905
Karl Josef Zanetti jun. (1876 - 1948)
Regens chori 1905 - 1909
Der 1. Kirchenmusikverein
Der neue Pfarrer Johann Bapt. Prentner, der neue regens chori Carl Zanetti
(Pfaffstätten 1839 - 1905 Baden) und vermutlich auch der neue Thurnermeister
Josef Wiesneth sahen sich den Betrieb nur wenige Monate an, dann war ihnen klar,
dass ein Neuanfang das Gebot der Stunde war. Man hoffte, die von der Schule nicht
mehr gelieferten Musiker durch die Wirksamkeit eines Vereins gewinnen zu können.
Am 1. Dezember 1872 erschien im "Badener Boten" folgende Annonce:
Es ist im Antrage, bei der Pfarrkirche in Baden einen Kirchen-Musik-Verein zu gründen.
Freunde der Chor-Musik werden hiemit freundlichst eingeladen, am 1. Dezember, d.i. heute Sonntag,
Nachmittags um halb 2 Uhr, zur Durchberathung der im Entwurfe bereits vorliegenden Vereins-Statuten
gefälligst in den Pfarrhof kommen zu wollen. Johann Bapt. Prentner,
Stadtpfarrer.1
Aber das Unternehmen stand unter keinem guten Stern. Schon die Annonce, die erst am Tag der
Versammlung herauskam, verrät eine gewisse Ungeschicklichkeit im Umgang mit dem noch
neuen Medium Lokalpresse - erst seit 1867 erschien in Baden regelmäßig ein Lokalblatt.
Wesentlich professioneller agierte da die Theaterdirektion, die das ganze Jahr lang in jeder
Nummer eine Anzeige erscheinen ließ und sogar mit finanziellen Angeboten winken konnte:
Junge Damen und Herren, mit Talent und Stimme begabt, welche sich der Bühne und vorerst
dem Chor-Gesange widmen wollen, erhalten bei dem Gefertigten unentgeldlichen Gesangsunterricht
und sodann, je nach deren Verwendbarkeit, Engagement.
Nähere Besprechung und Aufnahme jeden Sonntag von 12 bis 1 Uhr Mittags in der
Direktions-Kanzlei des Gefertigten. J.B. Klerr, Direktor des hiesigen
Theaters.2
Wenn man die Angebote vergleicht, kann man sich vorstellen, wohin sich die Sangesfreudigen
wandten! Vor allem aber wehte der Pfarre nach dem Tod des Bürgermeisters Trost (1866),
der - wie schon erwähnt - selbst ausübender Kirchenmusiker gewesen war, der
eisige Wind des Liberalismus ins Gesicht, der sich nun auch in der Bildungsschicht und
damit in Badens Gemeindepolitik durchgesetzt hatte. Symptomatisch dafür wieder
der "Badener Bote": In fast jeder Nummer goss er Spott und Hohn über
das "Katholisch-Politische Casino" aus, eine Laienvereinigung mit Sitz in
Leesdorf (später Baden), die im selben Jahr 1872 gegründet worden war, um
weiterhin auch katholische Positionen in die gesellschaftliche Debatte einzubringen.
All diese Faktoren bewirkten, dass die Statutendiskussion am 1. Dez. 1872 ein Fehlstart
wurde. Erst mehr als fünfzehn Jahre später gelang dann tatsächlich die
Gründung eines Kirchenmusikvereins.
"Aufführung echt kirchlicher Tonwerke" - der 2. Kirchenmusikverein
Am 9. November 1888 wurden von der k.k. n.ö. Statthalterei (heute: Landesregierung)
die Statuten eines neuen Kirchenmusikvereins genehmigt; sie liegen im Druck vor:
I. Name, Sitz, Zweck und Thätigkeit des Vereines.
§ 1. Der Verein nennt sich "Kirchenmusik-Verein in Baden", hat in der
Stadt Baden in N.-Oe. seinen Sitz und die Pflege echter Kirchenmusik zum Zwecke.
§ 2. Diesen Zweck sucht der Verein nach Maßgabe seiner Mittel zu erreichen,
und zwar:
a. Durch Aufführung echt kirchlicher Tonwerke an allen Sonn- und Feiertagen und
eines feierlichen Requiems in jedem Jahre für die während desselben
verstorbenen Vereinsmitglieder in der Pfarrkirche zu Baden;
b. durch Honorirung von Fachmusikern, insbesondere des erforderlichen Vocal- und
Streichquartettes, um jene Aufführungen auch für den Fall zu sichern, als
der Verein die erhofften musikalischen Kräfte nicht unter seinen mitwirkenden
Mitgliedern finden sollte;
c. durch Fürsorge zur Heranbildung tüchtiger Gesangskräfte; endlich
d. durch Anschaffung von Instrumenten und Musikalien.
Vorsteher des Vereins war automatisch der jeweilige Stadtpfarrer. Mitglied des
Vereinsvorstandes war ein "artistischer Director", der einzige
Vereinsfunktionär, für den eventuell eine Bezahlung vorgesehen war.
Er musste nicht unbedingt identisch mit dem regens chori sein, dessen Rolle
eigenartig unbestimmt blieb:
VIII. Der Regenschori der Pfarrkirche in Baden
§ 33. Dieser hat das Recht, in den Directions-Sitzungen über Einladungen
des Vorstandes zu erscheinen, in Angelegenheiten, welche den Kirchendienst betreffen,
seine Meinung zu äußern und bei der Abstimmung hierüber auch seine
Stimme abzugeben. Im Uebrigen hat er nur dann die entsprechenden Rechte, wenn er
dem Vereine als ordentliches Mitglied beigetreten oder wenn er honorirter
artistischer Director desselben ist.
Interessant auch die Bestimmungen zur Auflösung des Vereins:
§ 37. Der Beschluß, den Verein aufzulösen, kann nur in einer
Generalversammlung, an der mindestens die Hälfte der Mitglieder theilnimmt,
gefaßt werden.
Das gesammte Vereinsvermögen wird im Falle der Auflösung des Vereines
der Stadt Baden zur Fructificirung bis zur Bildung eines neuen Vereines mit
gleichem Zwecke, d.i. Förderung der Kirchenmusik an der katholischen Pfarrkirche
in Baden, übergeben.3
Inzwischen hatte man im Umgang mit der Presse dazugelernt. Am 26. Jänner 1889
erschien im Badener Bezirks-Blatt eine ganzseitige Einladung zur konstituierenden
Generalversammlung am 18. Februar um 17 Uhr im Rathaussaal. Man hatte sich auch
massive Unterstützung unter den Honoratioren gesucht, gezeichnet war der
Aufruf von Pfarrer Johann Iby, Bezirkshauptmann Ernst Oser, Bürgermeister Franz
Breyer, dem späteren Bürgermeister Rudolf Zöllner, der damals noch
Mitglied des k.k. Hof-Operntheaters i.P. war, dem Bezirksschulinspektor Johann Walter,
dem Gymnasial-Professor Johann Schwetz und dem pensionierten Hofrat Adolph Lang.
Beitrittserklärungen lagen bei den Buchhändlern Alfred Otto und Ferdinand
Schütze, den Apothekern Carl Guido Schwarz und Adolph v. Grimburg, beim Handelsmann
Johann Pötschner, auf der BH, auf den Gemeindeämtern Baden und Weikersdorf sowie
in der Pfarre Baden auf.4
Noch immer hatte sich der Verein, wie der Pfarrer feststellte, vielfältiger
Anfeindungen zu erwehren, aber das Echo war gut, die Anzahl der Chorsänger
verdoppelte sich (Zahlen sind leider nicht angegeben). Als "artistischer
Director" wurde Gustav Jenner
(Keitum, Insel Sylt 1865 - 1920 Marburg/Lahn) bestimmt. Damit hatte man eine prestigeträchtige
Wahl getroffen, denn der junge Musiker hatte eben seine Ausbildung bei niemand Geringerem als Johannes Brahms
begonnen (dessen einziger Schüler er übrigens bleiben sollte!).5
Regens chori Zanetti beschränkte sich auf seine zweite Aufgabe als Organist,
die er immer mehr als seine eigentliche musikalische Berufung anzusehen begann - in
den Annoncen für seine Klavier- und Zitherstunden nennt er sich grundsätzlich
Organist.6
Mit Feuereifer machte sich der erneuerte Chor ans Werk - damals wurde der bis heute
bestehende Brauch eingeführt, jeden Freitag abends eine Probe abzuhalten; das
Probenlokal war ein Raum der Mädchen-Bürgerschule im 2. Stock der Pfarrschule.
Sänger der ersten Stunde, die häufig auch Solo-Auftritte übernahmen, waren:
- Emma von Sebastiany (Sopran)
- Anna Stryek (Sopran)
- Johanna Pfleger (Alt)
- Betty Ebenführer (Alt)
- Josefine Jelli
- Franz Pfleger (Tenor)
- Franz Dorr (Tenor)
- Josef Brosch (Bass)
- J. Zeiner (Bass).
Wie ihr artistischer Direktor verfügten auch viele dieser Solisten über
hervorragende musikalische Qualifikationen.
Betty Ebenführer geb. Piber (Frankenfels 1851 - 1925 Baden)7
war als außerordentlich treffsichere Altsängerin sowohl im hiesigen Kirchenmusikverein
als auch im "Gesangverein Baden" jahrelang die Führerin ihrer
Stimmgattung ... Sie genoß die gesangliche Ausbildung am Wiener Konservatorium
durch Frau Prof. Marchese (die so genannte "Königin der Gesanglehrerinnen"),
zu deren Lieblingsschülerinnen sie zählte.8
Franz Pfleger aus Kalsching im Böhmerwald (ca. 1854 - 1894) war seit 1874 als Lehrer
in Baden tätig; er unterrichtete nicht nur in den Gegenständen seiner Fachgruppe
an der Bürgerschule, sondern ertheilte auch daselbst Violinunterricht.
Außerdem hatte er einige Turnstunden am Gymnasium übernommen und
unterrichtete noch in späten Abendstunden an der Gewerbeschule. Die Lehrstunden
griffen oft so in einander, daß er kaum Zeit zum Essen fand. Trotzdem verwaltete
er noch die unbesoldete Stelle eines Bibliothekars der Bezirkslehrer-Bibiliothek.
Ein geschickter Turner und Sänger, nahm er an den Uebungen und Productionen
des Turn-Vereines, Männergesang- und Kirchenmusik-Vereines eifrig Antheil. Im
Turn-Vereine, der ihm besonders am Herzen lag, bekleidete er seit Jahren die Stelle
eines Turnrathes und als Mitglied des Gauturnrathes wirkte er mit Eifer an der
Förderung des Turnwesens in Oesterreich mit. Aber nie rühmte er sich seiner
Verdienste, suchte nie seine Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen; in
seiner Bescheidenheit forderte er keinen Dank für das, was er geleistet, sondern
begnügte sich mit dem Bewußtsein, seine Stelle voll und ganz ausgefüllt
zu haben ... Er war ein echter deutscher Mann.9
Franz Dorr (Edelbach, NÖ 1838 - 1920 Baden) absolvierte 1856 die Lehrerbildungsanstalt
in St.Pölten. Nach einigen Jahren in Langenlois, Krems und Ybbs kam er 1861 als Lehrer
nach Baden, wurde 1888 Oberlehrer (Direktor) der neu gegründeten Volksschule Leesdorf
und ging 1897 in Pension. Während seines ganzen Lebens betrieb Direktor Dorr mit
großem Erfolge die Bienen- und Rosenzucht, was ihm den Namen "Rosenonkel"
eintrug. ... Seit dem Bestehen des Badener Männer-Gesangvereines ist Herr Dorr eines
der treuesten Mitglieder desselben, entzückte unzähligemale die Zuhörer
durch seine schöne, weiche Tenorstimme und wurde ... zum Ehrenmitglied des Vereines
ernannt.10
Der Deutschböhme Josef Brosch (1853 - 1902)11 absolvierte
die Lehrerbildungsanstalt in Budweis, kam 1875 als Bürgerschullehrer nach Baden und wurde
1901 Direktor der Knaben-Volks- und Bürgerschule. Die vermehrten Berufspflichten entzogen
ihn dem Aufenthalt in den Wäldern, in denen er früher mit so großer Vorliebe
herumstrich - sicher mit ein Grund, dass er frühzeitig einer Lungentuberkulose erlag.
Er war, so hieß es rückblickend, ein liebevoller Familienvater, ein wahrer
Fortschrittsmann, ein braver und aufrichtiger Kollege.12
Am Passionssonntag, dem 7. April, war der erste größere Auftritt des neuen Vereins.
Auf dem Programm standen die "Missa Sanctae Crucis" von Michael Bauer, Michael Haydns
"Tenebrae factae sunt" und Mozarts "Adoramus". Die Erwartungen des
kirchengehenden Publikums waren enorm: So dicht gefüllt wie an diesem Sonntage ist
unsere Kirche nur an hohen Festtagen. Alle Kirchenbänke waren besetzt und sogar in
den Gängen blieb nur wenig freier Raum übrig, so meldete die Presse. Das Niveau
der Aufführung wurde gelobt - wenn auch mit der vorsichtigen Einschränkung, dass
die Hälfte der Sänger noch nie in einem Chor gesungen habe und dass die
Einführung einer Chorschule zur Heranbildung junger Nachwuchskräfte dringend
notwendig sei. Am Ostermontag wurde die Messe wiederholt, neu einstudiert wurden für
diesen Anlass ein "O bone Jesu" von Tomaso Bai und Mozarts "Ave verum".
Die Chorschule nahm am 1. Mai 1889 im Probenlokal des Kirchenchors den Betrieb auf, Leiter
war der Director Jenner.
Am Pfingstsonntag, dem 9. Juni, standen eine Messe von Giovanni Battista Casali sowie
"Adoramus" und "Ave verum" von Mozart auf dem Programm. Diese Programmwahl
stieß offenbar auf Unverständnis und musste in der Lokalpresse erklärt werden:
Casali gehört zu jener Gruppe italienischer Meister, deren Werke im strengen Kirchenstile,
dem sogenannten Palestrina-Stile, gehalten und - bloß die Durchführung der Themen
verfolgend - der Melodie in unserem Sinne entbehren. Die Messe macht daher auf den Zuhörer,
der nur classische und moderne Kirchenmusik kennt, einen fremdartigen Eindruck. Unsere Classiker
haben nämlich ihrer Kirchenmusik einen so weltlichen Charakter gegeben, daß sie trotz
ihrer größeren Tonschönheit nicht recht für die Kirche paßt. In
neuerer Zeit hat man den Widerspruch zwischen dem Ernst des Gottesdienstes und dieser Musik
lebhafter empfunden, und man ist daher bestrebt, die Werke der älteren Schule, wenn sie
auch weniger klangschön sind, wieder zur Geltung zu bringen. Damit ist genau das Programm
des so genannten Cäcilianismus umrissen, der damals aktuellen und seit 1870 auch offiziell
geförderten Rückbesinnung der Kirchenmusik auf Spätmittelalter und
Frühneuzeit13 - sichtlich waren Pfarrer und
Kirchenmusikverein auf der Höhe ihrer Zeit, auch wenn das nicht nur Zustimmung
brachte und vielleicht auch dem mit anderen Vorstellungen aufgewachsenen regens chori
gegen den Strich ging.
Nach diesen verheißungsvollen Anfängen verschwand der Kirchenchor auf einmal
in der Versenkung - in der Zeitung jedenfalls ist keine Spur von ihm wahrzunehmen. Was
war geschehen? Der artistische Director hatte seinen einjährigen Militärdienst
antreten müssen und konnte den Probenbetrieb erst am 21. Nov. 1890 wieder aufnehmen!
Die Hauptversammlung des Vereins am 16. Jänner 1891 im Rathaussaal führte zu so
komplizierten Diskussionen, dass sie zu einem zweiten Termin eine Woche später fortgesetzt
werden musste. Es ging um den Antrag des Bürgerschuldirektors Johann Walter und des
Obmannstellvertreters Rudolf Zöllner, nicht nur eine informelle Chorausbildung anzubieten,
sondern eine staatlich anerkannte Chorgesangsschule zu gründen. Anscheinend hatte Jenners
Unternehmen, kurz vor Schulschluss begonnen und durch den Militärdienst kurz nach Schulbeginn
wieder abgebrochen, keine Wurzeln geschlagen.
Erstmals kam auch die gesellschaftliche Komponente zum Tragen. Für den 1. Mai war eine
"Sängerfahrt" des Wiener "Ambrosius-Vereines" unter der Leitung von
Prof. Josef Böhm und Chormeister Josef Piber geplant, die aber wegen Schlechtwetters
auf den 10. verschoben wurde. Für ein ganztägiges Programm war vorgesorgt:
- 9 h Begrüßung der Chor-Akademie
- 10 h Kirchenkonzert
- 12.30 h Mittagessen im Hotel Nagl (= Kaiser Franz Josef-Ring 15)
- 14 h Ausflug zur Krainerhütte, dort "musikalische Vorträge" des
Ambrosius-Vereines und des Badener Kirchenmusikvereins
- 20 h Abfahrt von der Krainerhütte
- 21.65 h (Druckfehler oder Scherzchen?) Abfahrt der Wiener.
Am 8. Mai dirigierte Gustav Jenner sein letztes Hochamt, seit 21. Juni meldet die Presse
regelmäßig: "Dirigent Herr Director Johann Walter". An der Orgel saß
zunächst der Kooperator Muhr, seit Feb. 1894 Oberlehrer Johann Lohner. Von regens chori
Zanetti hören wir überhaupt nichts mehr. Was war geschehen? War dem jungen, energischen
Jenner die Luft ausgegangen? (Er blieb bis 1895 bei seinem Lehrer Johannes Brahms und ging dann
an die Universität Marburg/Lahn.) Oder hatte Johann Walter, Direktor der Mädchen-Bürgerschule,
der ja auch eine treibende Kraft des Vereins war, alle anderen ausgebootet? Wir wissen es nicht, aber der
Verein war zutiefst erschüttert und verunsichert. Die Vereinsleitung hofft, daß sich die
Mitglieder vollzählig einfinden werden, hieß es, als die Zeitung für den 2. Oktober
1891 die Wiederaufnahme des Probenbetriebs nach der Sommerpause ankündigte.14
Der Wunsch ging nicht in Erfüllung: Wenn wir späteren Berichten trauen dürfen, blieben
über die Hälfte der Sänger weg!
Aber Johann Walter und seine Getreuen gaben nicht auf. Mit Erlass des k.k. n.ö. Landesschulrats
vom 25. Mai 1891 war eine Chorgesangsschule mit drei Jahrgängen genehmigt worden, am 2. Oktober
1891 begann in den Räumlichkeiten der Knaben- und Mädchen-Bürgerschule der Chorunterricht.
Er stand unter der künstlerischen Leitung Walters und fand drei Mal wöchentlich im Anschluss
an den normalen Schulunterricht statt, man hatte dafür 50 Kreuzer monatlich zu bezahlen. 1893 war
die Chorschule so weit, dass sie gelegentlich selbst die Gestaltung einer Messe übernehmen konnte,
1894 kam es im Turnsaal der Volks- und Bürgerschule erstmals zu einem Abschlusskonzert
("Schluss-Production") der Chorschule und des neu eingeführten "Stimmbildungskurses"
für junge Damen ab 16, den Betty Ebenführer leitete.
Seit 1892 erhalten wir auch statistische Daten über das jeweils abgelaufene Jahr:
|
1891 |
1893 |
1894 |
1896 |
Überschuss |
677 fl (Gulden) |
587 fl 50x (Kreuzer) |
577 fl 86x |
449 fl 87x |
ausübende Mitglieder |
29 |
13 |
18 |
20 |
sonstige Mitglieder |
138 |
127 |
122 |
112 |
Proben |
48 |
48 |
42 |
42 |
aufgeführte Werke |
20 (8 Messen) |
7 Messen |
8 Messen |
keine Angaben |
Chorgesangsschule |
|
|
|
|
Mädchen |
40 |
17 (I. Jg.), 16 (III. Jg.) |
14/4/12 |
insg. 20 |
Knaben |
9 |
23 (I. Jg.), -- (III. Jg.) |
17/16/2 |
insg. ? (Mz.97) |
|
|
15 Kinder (II. Jg.) |
|
|
Stimmbildungskurs |
-- |
-- |
6 |
keine Angaben |
Am 11. Feb. 1892 veranstaltete der Kirchenmusikverein in den Sälen des Hotels "Stadt
Wien" (heute Sparkasse Baden) einen Unterhaltungsabend mit Tanzkränzchen, bei dem
sogar eine 2-aktige Operette ("Die Nibelungen" von Josef Piber) zur Aufführung kam.
Der Abend brachte zwar ein kleines finanzielles Defizit, löste aber eine solche Begeisterung
aus, dass auf der Stelle 8 fördernde und 4 ausübende Mitglieder neu beitraten!
Wir sehen es ja an obiger Statistik: Die finanzielle Lage des Vereins war gut, obwohl die Anzahl
der fördernden Mitglieder allmählich zurückging. Zwischen 1891 und 1893 sank die
Zahl der ausübenden Mitglieder auf weniger als die Hälfte, was wohl (wenn es nicht
einfach ein Druckfehler unserer einzigen Quelle, der Zeitung, ist) mit dem plötzlichen
Abgang Jenners zusammenhängt. Dann stieg die sehr gering gewordene Sängerzahl langsam
wieder an. Die Chorschule fluktuierte von Jahrgang zu Jahrgang wild, scheint aber ein selbsterhaltender
Betrieb gewesen zu sein und kaum Nachwuchs für den Kirchenchor geliefert zu haben. Im März
1897 hören wir noch, dass sich Pfarrer Iby im Rahmen der Hauptversammlung bei Herrn Zöllner,
der Seele des Vereines, Herrn Director Walter für seine aufopfernde Thätgkeit (bedankte)
und schließlich die freudige Mitarbeiterschaft der Damen in warmen Worten hervorhob. Dann
verschwindet der Verein für vier Jahre aus der Presse, und Anfang Oktober 1901 kommt der
Paukenschlag: Der Kirchenmusikverein Baden ladet seine Mitglieder für Freitag, den 11. October,
7 Uhr abends, in der Mädchenbürgerschule Baden, zur Generalversammlung ein, auf welcher
ein Antrag betreffs Auflösung des Vereines zur Verhandlung gelangt!15
Das Ende des 2. Kirchenmusikvereins
Anlässlich der Begründung des dritten, heute noch bestehenden Kirchenmusikvereines im
Jahre 1911 erinnerte sich Direktor Johann Walter an die Vorgängerorganisationen - aus seiner
Sicht natürlich; wir haben ja schon gehört, dass er selbst in den damaligen Ereignissen
eine nicht unkontroversielle Rolle spielte.
Der erste Kirchenmusikverein, dessen Entstehungszeit unbekannt ist (1873 - Anm. R.M.), gelangte
zu keiner Lebensäußerung. Besser ging es mit dem zweiten, der vom Dechant Iby im Jahre
1889 unter Beteiligung weltlicher Personen (Bürgermeister Zöllner, Professor Schwetz,
Hofrat Lang etc.) ins Leben gerufen wurde. Auf Antrag des Bürgerschuldirektors Walter
gründete der Verein im Jahre 1891 eine aus drei Jahrgängen bestehende Chorgesangschule
(vom hohen k.k. n.ö. Landesschulrate mit Erlaß vom 25. Mai 1891, Z. 4380, genehmigt)
zur Heranbildung von Kirchensängern, die von 40 - 50 Schülern und Schülerinnen
besucht war. Leider stellte sich der damalige Regenschori Zanetti, der in der Gründung
des Kirchenmusikvereines ein Mißtrauensvotum gegen seine Leistungen erblickte, dieser
Schule feindlich entgegen, denn er nahm grundsätzlich keine Schüler derselben in
den Kirchenchor auf und raubte ihnen so die Gelegenheit, das Erlernte zu verwerten.
Die Chorproben des Vereines fanden in der Bürgerschule allwöchentlich einmal statt
und wurden wie die Aufführungen von Herrn Gustav Jenner, einem Lieblingsschüler des
berühmten Johannes Brahms, und nach dessen schon nach 1½ Jahren erfolgtem Abgang von dem
Bürgerschuldirektor J. Walter geleitet, der auch im Vereine mit dem Lehrer Nahlinger in
der Chorgesangschule den Singunterricht erteilte.
Im Jahre fanden 5 - 6 Aufführungen (Messen von Mozart, Haydn, Horak etc., Requiem für
die verstorbenen Vereinsmitglieder) statt. Die Schüler und Schülerinnen der
Chorgesangschule sangen alljährlich eine Messe zur ersten Kommunion der Schulkinder
und einen Segen zum Schlusse der Maiandacht.
Der Verein hatte wohl über 90 beitragende Mitglieder, aber die Zahl der ausübenden:
6 Soprane, 6 Alte, 2 Tenore, 4 Bässe war zu gering, weshalb zu den Aufführungen immer
Gäste geladen werden mußten, um eine günstige Chorwirkung hervorzubringen.
In Verbindung mit dem Männergesangvereine Baden und dem Kurorchester erzielte bei einem
Konzert der Verein unter Walters Leitung durch den Vortrag des Chores "Wie lieblich sind
die Boten" aus Mendelssohns Oratorium Paulus und des Frühlingschores aus Haydns
"Jahreszeiten" einen solchen Erfolg, daß dies dem Chormeister des
Männergesangvereines, Herrn Franz Kohlert, die Anregung zur Gründung eines
gemischten Chores gab ...
Die Verfolgung der Lehrer durch die christlich-soziale Partei, die mit kirchlicher
Unterstützung immer mächtiger auftrat, hatte die Folge, daß die Lehrer
und mehrere freigesinnte Sänger an der Kirchenmusik nicht mehr mitwirken wollten.
Zu der im Juli 1897 einberufenen Generalprobe der B-Messe von Hummel, deren Einstudierung
3 Monate anstrengender Arbeit beansprucht hatte, erschienen wohl die Damen, aber nicht die
männlichen Mitglieder. Da unter solchen Umständen jede weitere Bemühung
aussichtslos schien, sistierte Herr Walter sofort die Generalprobe und legte die Dirigentenstelle
nieder. Herr Kohlert übernahm dieselbe, legte aber auch wegen Mangels an mitwirkenden
Männerstimmen nach ein paar Monaten seine Stelle nieder. Im Jahr 1898 hob die Vereinsleitung,
da keine Aufführungen mehr stattfanden, keine Mitgliederbeiträge ein; die Chorgesangschule
wurde im Juli 1899 aufgelassen. Das Kassabuch des Vereines vom Jahre 1900 enthält die
Bemerkung: "Keine Einnahmen, keine Ausgaben. Der Verein gibt kein Lebenszeichen mehr".
In der am 11. Oktober 1901 unter dem Vorsitze des Obmannnstellvertreters Bürgermeister
Rudolf Zöllner abgehaltenen Generalversammlung wurde die Auflösung des Vereines
beschlossen. Das Vereinsvermögen im Barbetrage von K(ronen) 531.42 erhielt
statutengemäß die Stadtgemeinde Baden zur Verwaltung bis zur Gründung
eines neuene Vereines. Das Archiv wurde dem Bürgerschuldirektor Walter zur Verwahrung
anvertraut.16
Zum Repertoire des 2. Kirchenmusikvereins
(Mangels sonstiger Aufzeichnungen wissen wir nur von den Aufführungen, die in der
Zeitung Erwähnung fanden.17)
- Sonntag, 16. Feb. 1891: Messe in G-dur von Franz Schubert mit Einlagen von Mozart
und Albrechtsberger
- Sonntag, 22. Feb. 1891: Offertorium op. 55 von Laurenz Weiß (1810 - 1888),
"Esto mihi in Deum", für Sopran- und Horn-Solo mit Orgel. Das Sopran-Solo
singt Frau Minna Adler, deren schöne, kräftige, wohlgeschulte Stimme auch vor
einigen Wochen ..., bei Aufführung von Gounods "Ave Maria" voll zur
Geltung kam. Diese letztere Composition hat der begabte Musiker Josef Haindl aus
Vöslau für zwei Stimmen eingerichtet, und er sang auch selbst die zweite
Stimme. Frau Adler und Herr Haindl sind Schüler des hochgeschätzten
Künstlerpaares Löwe-Destin - gegenwärtig in Prag - dessen Scheiden aus
Baden bei den hiesigen Musikfreunden großes Bedauern hervorrief.18
- Sonntag, 8. Mai 1891: Messe in A-dur von Michael Bauer, "Tenebrae factae
sunt" von Michael Haydn, "Ave Maria stella" von Ludwig Rotter (1810 - 1895),
dem bedeutendsten österreichischen Kirchen-Componisten unserer Zeit.
- Ostersonntag, Messe von Joseph Haydn mit Graduale von Albrechtsberger und Offertorium
von Franz Schubert (Solo der Damen Sebastiani und Pfleger, der Herren Dorr und Brosch)
- Sonntag, 21. Juni 1891: Missa Brevis in B von Mozart, "Ave Maria" von Laurenz Weiß
- Sonntag, 5. Juli 1891: Messe in F von Franz Schubert, "Ave Maria stella" von Ludwig Rotter
- Sonntag, 26. Juli 1891: Messe in G von Joseph Haydn (Soli der Damen Sebastiani
und Ebenführer, der Herren Pfleger und Dorr)
- Sonntag, 25. Okt. 1891: Messe in B von Mozart, Einlage von Gluck (Soli der Damen
Sebastiani und Pfleger, der Herren Dorr und Zeiner)
- Sonntag, 22. Nov. 1891: Missa in G ("6/4-Messe" - Nicolaimesse) von Josef Haydn
- Sonntag, 28. Feb. 1892: Messe in A von Michael Bauer, "Tantum ergo" von
Francesco Antonio Calegari 1656 - 1772), Offertorium von Mathilde Marchesi (1821 - 1913)
- Sonntag, 10. Juli 1892: Messe von Michael Bauer, "Tantum ergo" von Josef
Blahak (1780 - 1846), "Ave Maria" von Vincenz Toifl (seit 1875 an der
Lehrerbildungsanstalt St.Pölten tätig)19
- Sonntag, 18. Feb. 1894: Messe in A von Michael Bauer, "Ave Maria" von Laurenz Weiß
- Sonntag, 11. März 1894: Mozart, C-Messe Nr. 8; "Ave Maria" von H. Elias
- Sonntag, 6. Mai 1894: Messe von Casali, "Tantum ergo" von Calegari,
"O bone Jesu" von Tomaso Bai (1650 - 1714), unter Mitwirkung der Chorschule
- Sonntag, 25. Nov. 1894: B-Messe von Mozart, "Voce mea" von Laurenz Weiß
- Donnerstag, 29. Nov. 1894: Requiem von Franz Schöpf (1836 - 1915), unter Mitwirkung der Chorschule
- Sonntag, 20. Jan. 1895: Messe in C von Mozart, "Benedicam" von Laurenz Weiß
- Donnerstag, 14. April 1895: Requiem von Franz Schöpf
- Sonntag, 14. Juli 1895: B-Messe von Mozart, "Ave Maria" von Mathilde Marchesi
- Sonntag, 27. Okt. 1895: D-Messe von Michael Bauer, "Justus ut palma" von Franz Limmer (ca. 1808 - 1857)
- Sonntag, 26. Jan. 1896: Messe in D-Moll von Wenzel Emmanuel Horak (1800 - 1871),
"O sanctissima" von Mathilde Marchesi
- Sonntag, ? Juni 1896: Messe, welche Mozart als 12jähriger Knabe komp. hat,
Graduale von Ignaz Reimann (1820 - 1885), Offertorium in F von Ludwig Rotter
- Donnerstag, 12. Nov. 1896: Requiem von Wenzel Emmanuel Horak
- Sonntag, 21. Nov. 1896: Messe von Wenzel Emmanuel Horak
- Sonntag, 14. Feb. 1896: D-Messe von Michael Bauer, "Ave Maria" von
Franz Krinninger (zeitgen. Komponist aus Wr.Neustadt)
Laut Bericht bei der Hauptversammlung umfasste das Archiv des Chors 1893 59
kirchliche und 5 profane Musikstücke, 1894 waren es 64 : 5.
Die Ära Zanetti im Überblick
Als Pfarrer Johann Prentner (1872 - 1883) und regens chori Carl Zanetti (1872 - 1905)
fast gleichzeitig ihren Dienst in der Pfarre St.Stephan antraten, lag die Kirchenmusik
darnieder - die traditionelle Struktur des Kirchenchors hatte sich, u.a. in Folge der
neuen Schulgesetze, aufgelöst. Sogleich versuchte man, in Form eines Kirchenmusikvereins
neue, tragfähige Strukturen zu schaffen, doch wurde nichts daraus. Angesichts der
Ereignisse um den zweiten Kirchenmusikverein fragt man sich, ob es wirklich nur die Ungunst
der Zeiten war, die das Projekt zum Scheitern brachte. Vielleicht fürchtete der regens
chori von Anfang an, durch eine Vereinsgründung entmündigt zu werden, und
verhinderte sie daher rechtzeitig.
Pfarrer Prentner war durch die gewaltigen Regotisierungsarbeiten in der Pfarrkirche
ausgelastet und fand keine Zeit für neue Initiativen, und dem regens war es
vermutlich ohnehin recht - soviel wir sehen, blieb dem Kirchenchor nur die typisch
österreichische - und, wie Böswillige behaupten, besonders typisch
badnerische - Lösung: das "Weiterwurschteln". Auch Prentners
Nachfolger Carl Lewinsky (1882 - 1886) brachte da keine Änderung.
Es ist sicher kein Zufall, dass bald nach dem Amtsantritt von Pfarrer Johann
Iby (1886 - 1907) die Gründung des zweiten Kirchenmusikvereins erfolgte.
Wieder fühlte sich Zanetti auf den Schlips getreten. Doch diesmal half ihm
nichts, durch die Trennung von organisatorischer und künstlerischer Leitung
wurde er wirklich beiseite geschoben. Mit dem ersten "artistischen Director",
dem Brahms-Schüler Gustav Jenner, fand er noch einen modus vivendi, indem er
wenigstens als Organist an der künstlerischen Gestaltung der Gottesdienste
mitwirkte. Doch mit Jenners Nachfolger Johann Walter gab es keine Zusammenarbeit,
Walter dirigierte die großen Gottesdienste und leitete die Chorschule; an der
Orgel saßen nun Kaplan Muhr und Oberlehrer Lohner. Organisiert wurden die
großen Gottesdienste vom Verein, in dem der Regens statutengemäß ein
gewisses Mitspracherecht hatte, de facto aber bestenfalls geduldet war. Was hatte der
regens chori überhaupt noch zu tun? Wenn es auch nirgends ausdrücklich
erwähnt ist, dürfen wir annehmen, dass er mit dem Chor nach wie vor für
die allsonntäglichen "Routine-Hochämter" und die musikalische
Gestaltung aller übrigen liturgischen Feiern verantwortlich war, wie es dem
Aufgabenbereich seines Amtes entsprach. Nur gerade die künstlerischen Leckerbissen
hatte ihm der Verein weggenommen! Kein Wunder, dass sein Herz blutete und er, wenn man
seinem Konkurrenten Johann Walter glauben darf, zumindest die Chorschule sabotierte,
wo er nur konnte. Kein Wunder aber auch, dass diese Situation zu Spannungen im Chor
führte und die Sänger allmählich die Lust verloren.
Als der Verein 1897 zusammenbrach und 1901 auch formell aufgelöst wurde, konnte
Zanetti wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen, dem Weiterwurschteln.
Wenn ihn der Musiklehrer Viktor Grimm, der ihn noch persönlich kannte, einen
"hochgebildeten Musiker und tüchtigen Dirigenten" nannte, hatte das
sicher seine Gründe, offenbart aber auch seine Tragik: Bei allen musikalischen
Qualitäten vermochte er es in keiner Phase seines Lebens, den Kirchenchor zu
motivieren und zu Höchstleistungen zu führen, obwohl das, wie Jenner und
Walter bewiesen hatten, durchaus möglich war.
Am 20. Juni 1905 starb regens chori und Mesner Karl Zanetti, und die Chorleiterstelle
wurde vom fürsterzbischöflichen Ordinariat ausgeschrieben. Am 19. August 1905
wurde vom f.e. Ordinariate mit Decret zum Regenschori und Organisten an der Stadtpfarrkirche
zu Baden Herr Karl Zanetti ernannt. Am selben Tag hat die Kirchenvorstehung von Baden den
bisherigen Kirchendiener Alois Kratochwill zum Meßner vorrücken
lassen.20 Der Junior Karl Josef Zanetti
(1876 - 1948)21 scheint getreulich in den
Fußstapfen seines Vaters gewandelt zu sein: Weder im Pfarrarchiv noch
in der Lokalpresse hat sein Wirken Spuren hinterlassen, ja sogar in der Erinnerung
der Chormitglieder verschmolz seine Amtsperiode mit der seines Vorgängers, wie
wir im Bericht des Musiklehrers Viktor Grimm bereits gelesen haben. Erst Pfarrer Karl
Frim (1907 - 1930) scheint seinem säumigen Chorleiter kräftig auf die Zehen
gestiegen zu sein, denn am 25. Juli 1909 raffte sich Zanetti jun. zur einzigen
Prestige-Veranstaltung seiner Amtszeit auf. Es kam zu einer Aufführung der
"Messe in Es" von Robert Führer (1807 - 1861), Instrumentierung besorgt
der Badener Musikerverein unter der Leitung des Kapellmeisters Karl
Wiesmann. - Regenschori: K.F. Zanetti.22 Und selbst
dieser einzige Höhepunkt seines Wirkens wurde nicht zur Kenntnis genommen, indem
man sich später (fälschlich) erinnerte, dass im Sommer 1909 Karl Wiesmann
den Kirchenchor geleitet habe!
Im Herbst 1909 erfolgte dann der Befreiungsschlag: Wegen hier nicht näher zu
erörternder Unzukömmlichkeiten mußte dem Regenschori Herrn Karl
Zanetti im Oktober gekündigt werden, als sein Nachfolger wurde vom Hochw. f.e.
Ordinariate am 10. Dezember 1909 der Kapellmeister und Komponist Bernhard Nefzger
aus Wien ernannt.23
Bernhard Nefzger, der neue Regens chori
Der neue Regens brachte sofort neuen Schwung in die Sache. Zur Hebung der sehr herabgekommenen
Kirchenmusik wurde ein Kirchenmusikverein gegründet, der von der k.k. Statthalterei
(heute nö. Landesregierung - Anm. R.M.) unter dem 22. Dezember 1910 genehmigt
worden ist. Er trat zum erstenmale öffentlich auf in der Aufführung am
Gründonnerstag, 13. April: "Die Worte des Erlösers am Kreuze" - die mustergültige
Aufführung brachte dem Vereine viele Freunde.24
Pfarrer und Kirchenchor wirkten von Anfang an im Sinne der so genannten Liturgischen Bewegung
und der seit 1903 auch vom Papst geforderten actuosa participatio fidelium
(aktive Teilnahme der Gläubigen).25 1912 legten
sie ein gedrucktes Textbüchlein "Die Liturgie der Karwoche mit Berücksichtigung
ihrer Feier in der Stadtpfarrkiche zu Baden" auf, in dem alle wichtigen Texte lateinisch
und deutsch abgedruckt und mit historischen und erklärenden Anmerkungen versehen waren.
Die Aufführung der Lamentationen (Klagegesänge) durch den Kirchenchor war bereits
mit dem Wiener Stefansdom zu vergleichen, so empfand es Pfarrer Frim, und der musste es wissen,
war er doch vor Antritt der Pfarre Baden Sekretär von Weihbischof Marschall (?) gewesen.
Als 1913 die neue Orgel fertig war, gestaltete der Kirchenchor nach Ausweis des gedruckten
Programmes am Palmsonntag, dem 16. März, eine großartige Einweihung.26
Text: Dr. Rudolf Maurer
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der "Städtischen Sammlungen Baden (Rollettmuseum)".
1 Badener Bote Jg.5/Nr.48 vom 1.XII.1872.
2 Badener Bote Jg.5, alle Nummern.
3 Bibliothek des StA B, B 1398.
4 Badener Bezirks-Blatt Jg.9/Nr.12 vom 26. Jänner 1889.
5 oeml, Bd. 2 (Wien 2003), s.v. (Barbara Boisits).
6 StA B, Biograph. Archiv, Mappe Zanetti, Annonce des Jahres 1898.
7 PfA Baden St.Stephan, Sterbbuch tom. XXVII, fol. 125.
8 StA B, Biograph. Archiv, Mappe Ebenführer.
9 StA B, Biograph. Archiv, Mappe Pfleger.
10 StA B, Biograph. Archiv, Mappe Dorr.
11 PfA Baden St.Stephan, Sterbbuch tom. XIX, fol. 206.
12 StA B, Biograph. Archiv, Mappe Brosch.
13 Lexikon für Theologie und Kirche (2. Bd., Freiburg
Basel Rom Wien 1994), s.v. Cäcilianismus (Günther MASSENKEIL).
14 Badener Bote Jg.24/Nr.39 vom 26.IX.1891.
15 Dieses Kapitel ist nach einer Sammlung von
Zeitungsartikeln "Kirchenmusikverein Baden 1889 - 1933" von Gustav CALLIANO
zusammengestellt, verwahrt in der Bibliothek des StA B, Sig. B 725.
16 Badener Zeitung Jg.32/Nr.20 vom 11.III.1911.
17 Gustav CALLIANO, "Kirchenmusikverein Baden 1889 - 1933".
18 Badener Bote Jg.24/Nr.7 vom 14.II.1891; vgl. auch Nr.9 vom 28.II.1891.
19 oeml, Bd. 4 (Wien 2005), s.v. St.Pölten (Christian Fastl).
20 PfA Baden St.Stephan, Memorabilienbuch, 57.
21 PfA Baden St.Stephan, Taufbuch tom. XVIII, fol. 195.
22 Gustav CALLIANO, "Kirchenmusikverein Baden 1889 - 1933".
23 PfA Baden St.Stephan, Memorabilienbuch, 68.
24 PfA Baden St.Stephan, Memorabilienbuch, 72.
25 Lexikon für Theologie und Kirche
(6. Bd., Freiburg Basel Rom Wien 1997), s.v. Liturgische Bewegung (Theodor MAAS-EWERD).
26 PfA Baden St.Stephan, Memorabilienbuch, 76, 79.
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