Antonín Dvorák

(1841 – 1904)

Antonin DvorakAntonín Leopold Dvorák wurde am 8. September 1841 in Mühlhausen an der Moldau geboren. er war das älteste von acht Kindern aus der Ehe von Franz und Anna Dvorák. Der Vater war Fleischhauer und Gastwirt und musikalisch soweit begabt, daß er seinem Ältesten die ersten musikalischen Anregungen geben konnte. Mit 12 Jahren verließ dieser die Schule und sollte beim Vater die Fleischhauerei erlernen. Daneben spielte er aber schon im Gasthaus seines Vaters und in der Dorfkapelle Geige, in den benachbarten Kirchen Orgel und Geige. Um Deutsch zu lernen wurde er ein Jahr später in den Nachbarort Böhmisch-Kamnitz in die Schule geschickt, wo er aber nicht nur Sprachkenntnisse erwarb, sondern auch seine musikalische Ausbildung weiter verfolgte. Dort leitete er in Vertretung seines Lehrers den Kirchenchor. Auf Anraten dieses Mannes und nach der zugesicherten Unterstützung von Seiten eines Onkels mütterlicherseits schickte der Vater den 16-jährigen nach Prag, wo er die Orgelschule am Konservatorium besuchte. Hier spielte er ab 1859 in der Kapelle von Karl Komzák sen. (1823-1893), die hauptsächlich in Gasthäusern tätig war. Als diese Kapelle 1862 im Orchester des Tschechischen Nationaltheaters aufging, spielte Dvorák dort weiterhin als Bratschist bis 1873 zuerst unter Komzák und ab 1866 unter Smetana. Als er 1859 seine Ausbildung am Konservatorium abschloß, erreichte er nur Platz zwei, “… da er in der Theorie weniger begabt sei, aber hervorragend in der Praxis.” Er lebte zu dieser Zeit unter so kümmerlichen Verhältnissen, daß er nicht einmal ein eigenes Klavier besaß, sondern das Instrument seines Mitschülers und Freundes Karel Bendl verwenden mußte. Als Richard Wagner im Februar 1863 in Prag ein Konzert mit eigenen Werken dirigierte, saß Dvorák als 1. Bratschist am Pult.

In dieser Zeit schreibt Dvorák auch erste bleibende Werke und verdient seinen Lebensunterhalt bei Privatschülern, unter denen auch seine spätere Frau, die Altistin Anna Cermák ist. Am 9. März 1873 feiert Dvorák seinen ersten großen Erfolg mit der Uraufführung seines “Hymnus” (Die Erben des Weißen Berges), der wahrscheinlich schon 1872 entstanden war. Es ist ein Werk für Chor und Orchester und bezieht sich auf die erste entscheidende Schlacht des Dreißigjährigen Krieges im November 1620, am Weißen Berg bei Prag.

Der Erfolg ermöglicht ihm im November desselben Jahres die Heirat mit Anna Cermák, der Tochter eines Goldschmieds. Drei Monate später nimmt er die Stelle eines Organisten an der Sankt Adalbert Kirche an. Erst jetzt findet Dvorák zu seinem unverwechselbaren Stil und es entstehen die Werke, die ihm bleibenden Ruhm einbringen sollen. Dvorák steht dabei ganz unter dem Eindruck der Musik von Smetana und Brahms. Herbeck, der Direktor der Kaiserlichen Oper in Wien, Hanslick und eben auch Brahms bildeten die Kommission, die Dvorák ein österreichisches Staatsstipendium für die Dauer von drei Jahren zuerkannte (1875-1878). Auf Empfehlung von Brahms wurde dessen eigener Verleger Simrock auch für Dvorák tätig. Das brachte ihm die volle Anerkennung der deutschen, englischen und amerikanischen Musikwelt. Der Weltruhm Dvoráks setzte u.a. mit dem Erfolg der Mährischen Duette und der Slawischen Tänze ein, vor allem aber mit dem 1876 und 1877 entstandenem Stabat Mater. Es ist das früheste geistliche Werk Dvoráks, das erhalten geblieben ist, und gleichzeitig die erste große tschechische Sakralmusik. 1880 erfolgte in Prag die Uraufführung, 1881 erschien es im Druck. Nach erfolgreichen Aufführungen in Budapest und Wien wurde es 1883 mit sensationellem Erfolg in London aufgeführt. Das Werk war unter dem Einfluß rasch aufeinander folgender Verluste von drei seiner insgesamt sechs Kinder entstanden. Dvorák hielt sich neunmal in London auf, war Ehrenmitglied der Londoner Philharmonischen Gesellschaft und 1890 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Cambridge.

Bereits zwischen 1857 und 1859 hat Dvorák eine Messe in B-Dur geschrieben, die aber nicht erhalten ist. Eine weitere Messe in f-Moll ist ebenfalls verschollen. Unter dem Einfluß des schweren Verlustes seiner Kinder schrieb Dvorák zwischen 1877 und 1879 weitere geistliche Werke: Ave Maria, einen Hymnus ad laudes in festo Sanctae Trinitatis, Ave maris stella und O sanctissima dulcis virgo Maria. Er stand sichtlich noch unter dem Einfluß der traurigen Ereignisse in seiner Familie. Zwischen September 1885 und Mai 1886 entstand das Oratorium St. Ludmilla, das 1887 in London uraufgeführt wurde.

Für die Einweihung der neuen Kapelle beim Schloß des Gründers der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste Josef Hlávka in Luzany komponierte Dvorák seine Messe in D-Dur op. 86. Sie entstand im Frühsommer 1887 und war für gemischten Chor und Orgel geschrieben. Am 11. September 1887 fand dort auch die Uraufführung unter der Leitung Dvoráks statt. Die Solopartien sangen die Frau des Auftraggebers (Sopran) und Dvoráks Frau Anna (Alt). Die Messe war bewußt mit kleiner Besetzung und für den liturgischen Gebrauch komponiert mit einer Aufführungsdauer von nur etwa 35 Minuten. Am 15. April 1888 kam es in Pilsen zur ersten öffentlichen Aufführungen mit zwei Harmoniums, Cello und zwei Kontrabässen. Nachdem mehrere Verlage die Messe eben wegen dieser begrenzten Besetzung als schwer verkäuflich abgelehnt hatten, entschloß sich der Komponist 1892 für den Londoner Verlag Novello zu einer Orchesterbearbeitung, bei der auch vorgesehen ist, die Solopartien von einem kleinen Chor ausführen zu lassen. Am 11. März 1893 gelangt die Messe in dieser Fassung im Londoner Kristallpalast zum ersten Mal zur Aufführung. Sie wird bald international bekannt, Dvorák berichtet ein Jahr später von mehreren Aufführungen in verschiedenen amerikanischen Städten.

Ein weiteres bedeutendes sakrales Werk ist das Requiem in b-moll op. 89. Es entstand zwischen Jänner und Oktober 1890 für das Musikfest in Birmingham. Dort fand auch die Uraufführung am 9. Oktober 1891 unter der Leitung des Komponisten statt. Dvorák arbeitete an dem Werk während reger Konzerttätigkeit in England und – auf Veranlassung seines Freundes Tschaikowsky – Rußland.

Als letzte große Kirchenkomposition schuf Dvorák im Sommer 1892 das Te Deum op. 103 für Sopran- und Bariton-Solo, gemischten Chor und Orchester. Es entstand im Auftrag des New Yorker Nationalkonservatoriums, dessen künstlerische Leitung der Komponist im Herbst dieses Jahres übernehmen sollte. Der Termin fiel zusammen mit den 400-Jahr-Feiern zur Entdeckung Amerikas. Am 21. Oktober 1892 fand in der New Yorker Carnegie Hall unter der Leitung seines Freundes Anton Seidl die Uraufführung statt und wurde ein glänzender Erfolg. Die Verteilung der 5 Strophen des Ambrosianischen Lobgesangs auf 4 symphonische Sätze und das Hinzufügen eines ebenfalls lateinischen Lobgesangs auf die Dreieinigkeit in Form einer triumphalen Coda lassen eindeutig erkennen, daß das Werk nicht für den liturgischen Gebrauch bestimmt ist.

Zweimal war Dvorák in den Vereinigten Staaten, einmal machte er sogar mit einem Teil seiner Familie dort Urlaub, aber das Heimweh nach seiner böhmischen Heimat ließ ihn bald zurückkehren. Die musikalische Ernte dieser Zeit sind die Symphonie aus der Neuen Welt, die Kantate The American Flag op. 102, und einige kammermusikalische Werke, darunter das Cello-Konzert op. 104. und das sgn. Amerikanische Quartett in F-Dur, op. 96. Er trug sich sogar mit dem Gedanken, eine neue amerikanische Nationalhymne zu schreiben. Die Melodie ist als Variationsthema in einem seiner Streichquartette zu hören. Nach seiner Rückkehr aus den USA widmete er sich ganz seiner Aufgabe als Lehrer am Prager Konservatorium, wo u.a. Oskar Nedbal (1874-1930) zu seinen Schülern zählte. Von 1901-1904 war er Direktor des Konservatoriums.

Während der unerfreulichen Proben zu seiner Oper Armida diagnostizierten die Ärzte Dvoráks wachsendes Unwohlsein als Urämie. Diese und die schon längere Zeit beobachtete starke Arterienverkalkung führten zu einem Gehirnschlag, dem der Komponist am 1. Mai 1904 erlag. Die Bestattung fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und höchster offizieller Stellen am 5. Mai 1904 auf dem Heldenfriedhof am Vyšerad statt. Seine Frau, mit der er 31 Jahre in glücklicher Ehe gelebt hatte, starb 1931.

Nach Vollendung der Messe in D-Dur schrieb Dvorák an seine Auftraggeber: “… Es [das Werk] könnte heißen: Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott dem Allmächtigen und Dank für die große Gabe, die mir gestattete, dieses Werk zum Preis des Allerhöchsten und zur Ehre unserer Kunst glücklich zu beenden. Wundern Sie sich nicht, daß ich so gläubig bin – aber ein Künstler, der es nicht ist, bringt nicht solches zusammen. …”

Text: Adelheid Hlawacek

Quellen:
Harenberg Chormusikführer; 1999
Die Musik in Geschichte und Gegenwart; Bd 3, 1989
The New Grove Dictionary of Musics and Musicians; Bd 5, 1998
Österreichisches Biographisches Lexikon; Bd 1, 1957
Reclams Chormusik- und Oratorienführer; 7., völl. neu bearb. Aufl 1999
Riemann Musiklexikon, Personenteil Bd A-K, 1959
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