Heinrich Huber
(1879 – 1916)
Heinrich Huber wurde am 2. November 1879 in Rain/Lech geboren. Er war das vierte von fünf Kindern des Volksschullehrers Heinrich Huber (1843 – 1887) und seiner Frau Rosa (1850 – 1924), geb. Grob. Der hochmusikalische Vater vererbte zwei seiner Kinder nicht nur das Talent, sondern leider auch den Keim zu einer tödlichen Krankheit, der Lungentuberkulose. Die 1877 geborene Schwester Rosa starb – noch nicht 32 Jahre alt – in ihrem Elternhaus, wo sie als Klavierlehrerin gelebt hatte.
Der um zwei Jahre jüngere Bruder Heinrich war das ganze Ebenbild seines Vaters, hochmusikalisch, sensibel, empfindsam. Vater Huber unterrichtete seinen Sohn nicht nur vermutlich zeitweise in der Volksschule, sondern er gab ihm Unterricht auf Klavier, Orgel und Geige und auch im Singen, aber nicht lange. Als Heinrich sieben Jahre alt war, starb sein Vater mit knapp 44 Jahren. Rosa Huber stand mit fünf unversorgten Kindern im Alter zwischen zwei und fünfzehn Jahren als Lehrerswitwe vor noch größeren Problemen als schon zu Lebzeiten ihres Mannes. Als Wirtstochter äußerst resolut und lebenstüchtig, verkaufte sie deshalb in den folgenden Jahren im Geschäft ihres Bruders Fleisch und Wurst. Sie hatte daher aus begreiflichen Gründen kein Verständnis für den Berufswunsch des Sohnes, der nicht Lehrer werden wollte wie der Vater, sondern Musiker. Mit dreizehn Jahren wurde er deshalb nach Lauingen in die Lehrerbildungsanstalt geschickt. Von Anfang an war das Pädagogikstudium mehr Qual als Freude, dafür genoß der Schüler Huber um so mehr die dazugehörende gründliche musikalische Ausbildung. Er wurde ein ausgezeichneter Pianist, Organist, Geiger und Sänger. Die Ferien verbrachte er zu Hause bei Mutter und Geschwistern in Rain, sang dort im Kirchenchor und half in der Stadtpfarrkirche an der Orgel aus. Als er am 15. Juli 1899 seine Studien abschließt, hat er bereits mehr als die Hälfte seines kurzen Lebens hinter sich. In Füssen im Allgäu findet er sofort eine Anstellung als Hilfslehrer und im dortigen Stadtpfarrer einen sachkundigen Förderer seines immer noch vorhandenen Wunsches, Musiker zu werden. Auf Fürsprache seiner ältesten Schwester Jette stimmt die Mutter schließlich dem Berufswechsel zu. Ausschlaggebend waren wahrscheinlich die seit einiger Zeit schon auftretenden Symptome der damals tödlichen Lungentuberkulose. Ein weiterer Verbleib im Schuldienst war mit Rücksicht auf die Ansteckungsgefahr ausgeschlossen.
Im Herbst 1902 nimmt der beurlaubte Volksschullehrer Kontakt mit der Kirchenmusikschule in Regensburg auf und fragt an, ob noch ein Platz für den Kurs 1903 frei sei. Er verspricht, sein Abschlußzeugnis der Lehrerbildungsanstalt nachzureichen, woraus die sehr gute Beurteilung in allen musikalischen Fächern ersichtlich ist. Das vom Rainer Stadtpfarrer Peter Graser ausgestellte Leumundszeugnis lautet: “Das unterzeichnete Stadtpfarramt bestätigt, daß laut Aufnahmebedingungen der Kirchenmusikschule in Regensburg Heinrich Huber, Sohn des hier verstorbenen Lehrers Huber, bestens empfohlen werden kann. Derselbe wirkte auf hiesigem Kirchenmusikchore fleißig und anerkennenswert insbesondere als tüchtiger Organist und interimistisch als sicherer Dirigent. Die Kirchenmusikschule gewinnt zu noch weiterer Ausbildung hiemit eine gewiß erfreuliche Kraft.”
Huber war über seinen Wechsel von der Pädagogik zur Musik sehr glücklich. Er nahm erhebliche persönlich Einschränkungen in Kauf, denn während der ein halbes Jahr dauernden Ausbildung zum Kirchenmusiker mußte er sich einer Hausordnung unterwerfen, die auch in der damaligen Zeit eher in ein Internat für halbwüchsige Knaben gepaßt hätte, als für erwachsene junge Männer, die bis vor kurzem wie im Falle Hubers selber für “Zucht und Ordnung” verantwortlich gewesen waren. “… Keiner der Herren Eleven darf die zeitweilige Rekreation im Hause der Kirchenmusikschule in den Abendstunden über 10 Uhr ausdehnen. Wenn in Ausnahmefällen die Herren Eleven infolge von Konzert- oder Theaterbesuchen, Einladungen etc. nicht vor 11 Uhr in ihrer Wohnung sein können, so müssen sie dem Direktor der Kirchenmusikschule schon vorher Meldung machen; ein Verweilen außer dem Hause bis nach Mitternacht kann unter keinem Vorwande gestattet werden und würde mit Entlassung bestraft …”
Die Kirchenmusikschule Regensburg stand ganz in der Tradition des “Cäcilienvereins für alle Länder deutscher Zunge”, der 1868 von dem Musiker und Geistlichen Franz Xaver Witt am Katholikentag in Bamberg gegründet worden war. Diese Vereine, die es auch in anderen Ländern gab, widmeten sich besonders der Reform und Pflege der Kirchenmusik, wobei oftmals die liturgische Korrektheit an erster Stelle stand und der künstlerische Wert der Musik zweitrangig war. An der Regensburger Kirchenmusikschule wurde dieser strenge Geist in reinster Form vermittelt. Messen im großen Stil von Haydn oder Mozart waren verpönt.
Die Zeit vom 15. Jänner bis zum 15. Juli 1903 war für den Zögling Heinrich Huber ausgefüllt mit Unterricht und Studium, das zu bewältigende Pensum war enorm: Harmonielehre, einfacher und doppelter Kontrapunkt, Polyphonie, Komposition und Instrumentieren. Orgelspiel, Orgelkunde, Gesangsmethode und Gesangsübungen waren vorgeschrieben. Dazu kamen Unterweisung im Gregorianischen Choral und Begleitung desselben auf der Orgel, Transponieren, Dirigieren, Partiturspiel, Liturgik, Ästhetik, Geschichte der Musik, insbesondere der Kirchenmusik sowie Literatur der katholischen Kirchenmusik. Huber war restlos glücklich, weil er sich ganz der Musik widmen konnte, ja mußte. Vielleicht erlernte Huber in dieser Zeit auch das Cellospiel. Er erteilte jedenfalls später Unterricht auf Klavier, Orgel, Geige und Cello, um die schlechte Besoldung etwas auszugleichen. Er beendete seine Ausbildung zum Kirchenmusiker mit bestem Erfolg am 15. Juli 1903, schied endgültig aus dem Lehrfach und versuchte, in kirchliche Dienste zu treten.
Es war nicht einfach, eine hauptberufliche Stelle als Kirchenmusiker zu finden, und es dauerte auch sieben Monate – bis zum 1. März 1904 – bis Huber einen Anstellungsvertrag in der Tasche hatte: er war Regens Chori und städtischer Musikmeister der Stadt Schongau. In dieser Funktion war er nicht nur für die Kirchenmusik verantwortlich, er leitete die Stadtkapelle, hatte für Nachwuchs bei den Instrumentalisten zu sorgen und gab Singunterricht in der Volksschule. Die Stadt hatte ungefähr 3200 Einwohner, meist bescheidener Mittelstand neben einigen wohlhabenden Bürgern. Außer der Volksschule gab es keine weiterbildenden Schulen und in dem kleinbürgerlichen Milieu war Huber nach Meinung von Zeitgenossen weit unter seinem Wert eingesetzt: ” … Die Leute hier haben kein Verständnis für Hubers Talent und Können. Er müßte diese Stellung in München oder Augsburg haben … “ Sein unmittelbarer kirchlicher Vorgesetzter, Stadtpfarrer Dr. Joseph Schiesl, selbst unmusikalisch, aber liberal und tolerant, ließ seinem Regens Chori freie Hand. Es bestand ein ausgesprochen herzliches Verhältnis zwischen den beiden.
Für die Kirchenmusik hatte Huber ausgezeichnete Kräfte zur Verfügung, sowohl im Chor als auch beim Orchester. Weniger gut war es um die Orgel der Stadtpfarrkirche bestellt. Sie war, wie viele Orgeln, alt und äußerst reparaturbedürftig. Je mehr Register von Huber gezogen wurden, um so schwerer wurde der Anschlag. Die Orgel mußte, wie auch zu Bachs Zeiten im wahrsten Sinn des Wortes “geschlagen” werden. ” … unter Hubers Händen klang alles schön, … Huber war eben ein echter Musiker … “ Das war jedenfalls die Meinung eines Zeitgenossen.
Als Junggeselle wohnte Huber in einem idyllischen Altstadtwinkel an der Schongauer Stadtmauer mit Blick auf Wall und Graben. Romantiker der er war, spielte er an lauen Sommerabenden bei offenem Fenster Klavier und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich heimliche Zuhörer einfanden. Es war hauptsächlich die weibliche Jugend, die zum Teil im Chor sang. Die Schwärmerei für den attraktiven 24jährigen Musiker war nur natürlich und so dauerte es nicht lange, bis die Hauptsopranistin und der junge Regens Chori nicht nur in musikalischen Belangen zueinander fanden. Emma Bader, Tochter eines Brauerei- und Gutsbesitzers, ließ sich ihren Heinrich nicht ausreden, obwohl die Eltern dringend von der Heirat mit einem lungenkranken Mann abrieten. Nach nur neun Monaten Bekanntschaft heirateten die beiden am 22. November 1904 in der Stadtpfarrkirche “Mariä Himmelfahrt” in Schongau. Dieser Tag – ein Dienstag – war sicherlich mit Bedacht gewählt, es ist der Namenstag der Patronin der Kirchenmusik, der Hl. Cäcilia. Die “Schongauer Nachrichten” berichteten ausführlich über die Hochzeit, die sicher das Ereignis in Schongau war, wirkten doch Kirchenchor, Liedertafel und städtische Kapelle sowohl in der Kirche als auch beim anschließenden Fest in der Baderschen Brauerei mit. Obwohl Emma Bader aus einer wohlhabenden Familie stammte, brachte sie nur wenig materielle Güter mit in die Ehe. Für den Idealisten Huber und auch für Emma Bader war es eine reine Liebesheirat, die sie keine Stunde in ihrer kurzen Ehe bereuten. Tragisch war das Schicksal seines am 20. Oktober 1905 geborenen Stammhalters Heinrich, der im Februar 1906 unter mysteriösen Umständen starb. Ein Zigeuner, dem Huber den Rückkauf einer kurz zuvor von einem anderen Zigeuner erworbenen wertvollen Geige verweigert hatte, stürmte wutentbrannt an die Wiege des kleinen Heinrich und stieß in fremder Sprache Verwünschungen aus. Wenig später stellten sich bei dem Säugling Krämpfe ein und er starb noch in derselben Nacht. Hubers Frau war zeitlebens davon überzeugt, die Verwünschungen des Zigeuners seien die Ursache des plötzlichen Todes ihres Erstgeborenen gewesen. Jeweils im Jänner 1907, 1908 und 1912 erblickten die Töchter Maria Antonia, Henriette und Gertrude Karolina das Licht der Welt. Regelmäßig ließen die Eltern die Kinder untersuchen, ob sie die Krankheit des Vaters geerbt hätten, doch alle drei Töchter blieben von diesem Übel verschont.
Das Ehe- und Familienleben der Hubers war – obwohl äußerst einfach und bescheiden – überaus glücklich und harmonisch. Die Besoldung war erschreckend schlecht, und doch war Huber bald infolge seiner Krankheit gezwungen, die Arbeit mit der Musikkapelle und der Liedertafel in andere Hände zu legen. Die dadurch gewonnene Zeit verwendete er zum Komponieren. Die fortschreitende Krankheit war auch der Grund für Hubers Verbleib in Schongau, obwohl es ihn nach München zog. Freiherr von Franckenstein, der Intendant des Münchener Hoftheaters hätte im eigenen Interesse Huber gerne in die Metropole geholt, aber dessen immer schlechter werdender Gesundheitszustand machte diese Pläne zunichte. Trotzdem war Huber oft in München. Der Intendant kannte Hubers Wagner-Verehrung und schickte ihm oft Freikarten für das Hoftheater, vor allem wenn Wagners romantische Opern am Spielplan standen. 40 bis 50 Abende mit Wagner-Opern dürfte Huber in München erlebt haben. Dazu kamen noch die Aufführungen in Bayreuth: jährlich zu seinem Namenstag am 15. Juli erhielt Huber von seiner Frau eine Karte für die Bayreuther Festspiele.
Daß Huber ein ausgezeichneter Organist und Fachmann für dieses Instrument war, wußten nicht nur Eingeweihte, sondern auch andere. Als im Sommer 1915 in der neuerbauten evangelischen Dreifaltigkeitskirche eine neue pneumatische Orgel mit zwei Manualen und Pedal eingebaut wurde, war es der katholische Chorregent Huber, der mit der feierlichen Orgelprobe beauftragt wurde. Während der letzten zwölf Monate seines Lebens verbrachte Huber viele Stunden an dieser Orgel, oft in Begleitung seiner jüngsten Tochter. Obwohl alle wußten, wie krank Huber eigentlich war, gab es doch Neider, die seine Freistellung vom Kriegsdienst hintertreiben wollten. Aufenthalte in Davos und Bad Reichenhall hatten keine Linderung gebracht und am 11. August 1916 starb Huber, nachdem er am Heimweg vom Bahnhof auf offener Straße einen Blutsturz erlitten hatte. Die 36jährige Witwe blieb mit drei Töchtern im Alter zwischen vier und neun Jahren und einer minimalen Rente zurück. Zum Glück gehörte das Haus, in dem die Familie wohnte, der Großmutter mütterlicherseits. Großmutter Bader zog zu Tochter und Enkelkindern, das dadurch frei gewordene Geschoß wurde vermietet, ebenso die Parterrewohnung. Eine ältere, unverheiratete Schwester, die in München eine Fremdenpension betrieb, unterstützte ebenfalls mit Beiträgen die Witwe. Alle drei Töchter besuchten in München und Weilheim fortbildende Schulen bis zur Mittleren Reife. Nach dem Tod ihrer Mutter beschloß Emma Huber, nach München zu ihren noch unverheirateten Töchtern zu ziehen. Durch den Verkauf des Schongauer Hauses war es ihr später möglich, ihren Töchtern eine finanzielle Aussteuer zu geben. Alle drei Töchter hatten die musikalische Begabung von Vater und Mutter geerbt. Eine spielte Geige, die anderen beiden Klavier. Wenn dann die Mutter noch Solostücke sang, die einst für sie komponiert worden waren, dann war das Familienglück nahezu perfekt. 1944 wurde bei einem Bombenangriff alles zerstört, was Gattin und Töchter liebevoll gesammelt hatten: nicht nur die wertvollen Instrumente verbrannten, vor allem der künstlerische und persönliche Nachlaß – darunter zahlreiche Briefe, Zeugnisse und Auszeichnungen – waren unwiederbringlich verloren. Nicht genug damit wurden auch alle einschlägigen Dokumente und Notenvorräte seiner Kompositionen in seinen Verlagen Coppenrath in Regensburg sowie Böhm & Sohn in Augsburg vernichtet.
Wie für Heinrich Huber war auch für seine Witwe die Musik Trösterin im oft bitteren Alltag. Sie sang unter den Nachfolgern ihres Mannes weiterhin im Chor, sowohl als Chorsängerin als auch als Sopransolistin. Eine besondere Freude war es für sie, als 1919 der Musikverlag Anton Böhm & Sohn in Augsburg und Wien die Messe “Salve Regina Pacis” (Friedensmesse) veröffentlichte, die Huber noch kurz vor seinem Tod zu Ende hatte komponieren können. Da es damals noch keine Tantiemen für Musikautoren und deren Erben gab, war das übliche einmalige, meist geringe Honorar sicher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Um so mehr konnte sie sich über die rasche und beachtliche Verbreitung der Kompositionen ihres Mannes freuen. Katholische Kirchenchöre in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz sangen Hubers Werke oft und gerne, vor allem die Friedensmesse. Für die rasche Verbreitung in den katholischen Gebieten der Schweiz sorgte hauptsächlich Markus Kagerer, Chordirektor an der Stiftskirche zu Beromünster im Kanton Luzern, der diese Messe instrumentiert hatte. Bis Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden Hubers Messen, vor allem die Friedensmesse in seiner Geburtsstadt Rain oft und gerne gesungen. Dann wechselte man auch hier zur Wiener Klassik. Zum selben Zeitpunkt entdeckte man auch in der damaligen DDR den Komponisten Heinrich Huber. Auf Anraten des Görlitzer Chorleiters schafften sämtliche Kirchenchöre der Restdiözese Breslau Hubers Friedensmesse an. Ein Chorleiter aus Nordbayern schrieb im Herbst 1955 an Emma Huber und bat um nähere Informationen zu Person und Werk Hubers, da er beabsichtige, Friedensmesse und “Ave-Verum-Messe” zur Aufführung zu bringen. Eine letzte große Freude erlebte Emma Huber im Juli 1963, als der Schongauer Stadtrat beschloß, eine Straße nach dem verdienstvollen Regens Chori zu benennen. Drei Jahre später, im September 1966 starb Hubers Witwe im Alter von 86 Jahren friedlich im Haus ihrer ältesten Tochter.
Werke:
Quellenlage:
Die meisten Werke Hubers entstanden zwischen 1908/09 und 1916, in seiner Schongauer Zeit. Er komponierte fast ausschließlich geistliche Vokalmusik für den Gebrauch im katholischen Gottesdienst. Bedauerlicher Weise ist Hubers Schaffen wie bereits oben erwähnt nicht komplett erhalten. Von den insgesamt 26 Opuszahlen fehlen die Nummern 2, 8, 11, 13, 20, 23 und 24. Vermutlich sind sie nie im Druck erschienen, sonst befänden sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München Pflichtexemplare. Autographe sind infolge Bombentreffer sowohl der privaten Bestände als auch der Verlagsarchive Coppenrath und Anton Böhm & Sohn nicht vorhanden. Im Druck überliefert sind knapp drei Viertel der Werke. Nach 1945 wurden lediglich vier Titel neu aufgelegt: die “Ave-verum-Messe” op. 4, die “Männerchormesse zu Ehren der Heiligen Familie” op. 6, bei Coppenrath in Altötting; das c-moll-Requiem op.21, die “Friedensmesse” op.25, bei Anton Böhm & Sohn in Augsburg und Wien. Das Gesamtwerk verteilt sich auf sechs lateinische Messen, zwei Requiems, zahlreiche Pange-lingua- und Libera-Vertonungen, Predigtgesänge, Offertorien und deutsche Kirchenlieder. Obwohl streng cäcilianisch ausgebildet war Huber kein strenger “Cäcilianer”, seine Werke unterschieden sich meist wohltuend von denen seiner Zeitgenossen. Warum Hubers Werke bis auf eigentlich eine Ausnahme heute nicht mehr verwendet werden, liegt nicht nur an der Qualität der Musik und am Wandel des Musikgeschmacks, sondern zum Teil auch am Zweiten Vatikanischen Konzil, das eine entscheidende Änderung der Meßliturgie bewirkte. In Schongau selbst werden nach wie vor Hubers beide besten Werke, die Friedensmesse und das c-moll-Requiem gesungen. Letzteres wurde für den am 3. Oktober 1988 verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß in der Schongauer Stadtpfarrkirche anläßlich eines Gedenkgottesdienstes aufgeführt. F. J. Strauß war kurz nach dem Krieg einige Jahre Landrat von Schongau gewesen. Im Grunde genommen hat nur ein einziges Werk überlebt, die “Missa Salve Regina Pacis” sein größtes und gelungenstes Werk, das auch heute noch von vielen Kirchenchören gerne gesungen wird.
Besonders erwähnt werden soll an dieser Stelle Hubers op. 4, wegen des besonderen Bezugs zu Baden und zum Badener Kirchenchor. Seine zweite Vertonung des Meßordinariums ist eine Huldigung für W. A. Mozart, Missa “Ave verum corpus” D-Dur. Huber stellt der Druckausgabe folgende Bemerkung voran: “Vorliegende Messe, der das Mozartsche ,Ave verum corpus’ den Namen geliehen, verwendet daraus lediglich das Hauptmotiv. Andere Motive genannter Motette sind absichtlich nicht verarbeitet.” Zeitgenössische Musikgelehrte loben das Werk und sprechen von , …festlichem Gepräge …’ und ,… für Landchöre tatsächlich eine Festmesse.’
Die Beurteilung der Messe eines heutigen Musikfachmannes und profunden Kenners Heinrich Hubers klingt so: ” … Sie besticht vielmehr durch klassische Zeitlosigkeit und gehört unbestreitbar zu den bedeutendsten Schöpfungen Hubers. Melodische Frische, harmonischer Reichtum und satztechnische Meisterschaft – das sind ihre größten Vorzüge. Nicht nur dieselbe helle, strahlende Tonart D-Dur hat sie mit Mozarts ’Ave verum’ gemein- auch sonst spürt man beinahe in jedem Takt den Geist Mozarts, der aus Hubers Partitur atmet. Trotz aller Anklänge an den von ihm hochverehrten Mozart ist die Messe ein unverkennbarer Huber, in erster Linie wegen der romantischen Harmonien. Auch Hubers Abgott Richard Wagner ist nicht zu überhören. Im ’Et incarnatus est’ des Credo zitiert Huber das ’Dresdner Amen’ aus Wagners ’Parsifal’. Das Anfangsthema von Mozarts ’Ave verum’, von Huber geringfügig variiert, erscheint nicht bloß am Beginn des Kyrie, sondern kehrt beinahe leitmotivisch im Sanctus und im ’Dona nobis pacem’ des Agnus Dei wieder. Alles in allem ein geglücktes, volkstümliches Werk von beachtlicher künstlerischer Qualität. Zu Recht hat der Musikverlag Coppenrath, nunmehr in Altötting, nach dem Zweiten Weltkrieg Hubers Ave-verum-Messe neu aufgelegt und führt sie bis heute in seinem Verlagsprogramm.”
Werkverzeichnis:
- Missa in honorem Beatae Mariae Virginis, F-Dur für vier- bis fünfstimmigen gemischten Chor a cappella; (vermutlich) op. 1; Regensburg: Coppenrath 1910
- Zehn deutsche Kirchengesänge nebst zwei Pange lingua für vierstimmigen gemischten Chor a cappella; op. 3; Regensburg: Coppenrath 1910
- Missa “Ave verum corpus”, D-Dur für vierstimmigen gemischten Chor a cappella; op. 4; Regensburg: Coppenrath 1912
- Requiem (ohne Sequenz) e-moll für vierstimmigen gemischten Chor und Orgelbegleitung; op. 5; Regensburg: Coppenrath 1913
- Missa in honorem Sanctae Familiae, F-Dur für vierstimmigen Männerchor a cappella; op. 6; Regensburg: Coppenrath 1912
- Schutzengel-Messe, F-Dur für dreistimmigen gemischten Chor mit Orgel- oder Harmoniumbegleitung; op. 7; Regensburg: Coppenrath 1912
- “Ave Maria”, Des-Dur für Sopransolo und vierstimmigen gemischten Chor mit Orgelbegleitung;op. 9; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn 1914
- Zwölf Pange lingua in verschiedenen Stimmgruppen, teils ohne, teils mit Orgel (oder Orchester); op. 10; Regensburg: Coppenrath 1913
- Drei “Libera” für vierstimmigen gemischten Chor teils mit, teils ohne Orgelbegleitung; op. 12; Regensburg: Coppenrath 1913
- Acht Predigtgesänge (lateinisch und deutsch) für zwei bis vierstimmigen Frauenchor mit Orgel (oder Harmonium); op. 14; Regensburg: Coppenrath 1913
- Fünfzig Offertorien für die Feste des katholischen Kirchenjahres für zwei gleiche Singstimmen mit Orgel (oder Harmonium); op. 15; Regensburg: Coppenrath 1913
- Liederkranz zu Ehren des heiligen Antonius von Padua für zwei- bis vierstimmigen Frauenchor mit Orgel (oder Harmonium); op. 16; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn 1914
- “Kriegslied” (“Empor mein Volk!”) (Gedicht von Emanuel Geibel) B-Dur für eine Singstimme oder einstimmig gemischten Chor mit Orgel- oder Pianoforte-, evtl. auch Blechmusikbegleitung; (vermutlich) op. 17; Dem tapferen deutschen und österreichischen Heere gewidmet; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn 1915
- Zwölf deutsche Kirchenlieder für zweistimmigen Frauenchor mit Orgel- oder Harmoniumbegleitung ; op. 18; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn o. J. (vermutlich 1914/15)
- “Maria vom Siege”; zwei Marienlieder zur Verehrung Mariens in Kriegszeiten (1914/15);op. 19; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn
- Requiem mit Libera c-moll; Allen unseren lieben auf dem Felde der Ehre Gefallenen in treuem Gedenken; op. 21; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn 1916
- “Dem Vaterland” (Text von Robert Reinick) für vier- bis sechsstimmigen gemischten Chor und vierstimmige Begleitung ad libitum; op. 22; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn 1916
- Opus 25 a: Missa “Salve Regina Pacis”, g-moll für vierstimmigen gemischten Chor und Orgel oder mit Begleitung von Orgel und Orchester (2 Violinen, Viola, Violoncello Kontrabaß, Flöte, 2 Oboen oder Klarinetten, 2 Hörner obligat, 2 Trompeten, Posaune und Pauken ad libitum; Instrumentierung von Markus Kagerer).
Opus 25 b: für vierstimmigen Männerchor und Orgel, bearb. von Josef Dantonello.
Opus 25 c: für dreistimmigen Frauenchor und Orgel, bearb. von Max Welcker.
Alle drei Fassungen erschienen: Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn 1919.
Diese Messe – von Kirchenchorsängern kurz “die Huber-Messe” genannt – ist unbestreitbar Hubers bestes Werk. Infolge der Kriegswirren wurde sie erst 1919 veröffentlicht. Die Fassung für Männerchor stammt von dem Volksschulpädagogen Dantonello, der in Augsburg wirkte. Ebenso Volksschullehrer und in Augsburg tätig als Organist in St. Maximilian war Max Welcker, der die Bearbeitung für Frauenchor besorgte. Unterschiedliche Stilelemente vereinigt Huber in dieser Messe: altklassische Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts, Wiener Klassik, die Hochromantik der von ihm besonders geschätzten Komponisten Wagner und Bruckner und das Cäcilianertum. Mit ihrem “gemischten Stil” kann sie als ein klassisches, überzeitliches Werk gelten. - Messe As-Dur für dreistimmigen Frauenchor mit Orgelbegleitung; op. 26; Augsburg, Wien: A. Böhm & Sohn o. J. (frühestens 1919)
Huber ging aus der Kirchenmusikschule Regensburg hervor, löste sich aber bald vom Cäcilianismus und fand früh zu seinem typischen Mischstil. Er leistete Hervorragendes in den Gattungen Messe, Requiem und Offertorium. Seine geistlichen Chorwerke ragen angenehm über das Durchschnittsniveau seiner Kirchenmusikerkollegen hinaus und stehen im Vergleich zur meist seichten musikalischen Massenproduktion seiner Zeit auf einer wohltuend hohen Stufe.
Text: Adelheid Hlawacek
Quelle:
Mann, Harald, J.: Heinrich Huber (1879 – 1916); Schongauer Chorregent und Kirchenkomponist aus Rain am Lech. Leben und Werk; Gedenkschrift zum 75. Todesjahr des Künstlers 1916 – 1991; hrsg. Von der Stadt Schongau 1991
Bild: unbekannter Fotograf